backRezensionen Europa


 CARA DILLON - Cara DillonCARA DILLON
Cara Dillon
(Rough Trade/Zomba RTRADECD019)
11 Tracks, 45:36; mit Texten

In Großbritannien wird die junge Dame für ihren Solo-Erstling mit Lob überschüttet. Cara Dillon ist kein Neuling. Anfang der 90er schlug sie mit der irischen Gruppe Oige Wellen, Mitte der 90er war sie bei Equation mit den Lakeman-Brüdern und Kathryn Roberts, einer Band, die außer viel Hype (Folksupergruppe) bis heute nichts besonderes vorzuweisen hat. Aber genau dort traf Cara auf den Keyboarder Sam Lakeman, der eigentlich in einem Atemzug mit Frau Dillon genannt werden müsste, denn er hat diese CD nicht nur aufgenommen und produziert, er ist Mit-Arrangeur und spielt diverse Tasteninstrumente.

Vor allem schwärmt die Kritik von Cara Dillons Stimme. Ein angenehmes Organ, etwa so, wie man es sich bei einer zierlichen Person vorzustellen hat, etwas in Richtung Pop, aber zweifelsohne gekonnt. Das gilt ebenfalls für viele der überwiegend traditionellen Lieder der bekannteren Sorte wie etwa "Black Is The Colour" oder "Green Grow The Laurel" (die zwei Ohrwurm-Eigenkompositionen von Dillon/Lakeman sind auch nicht zu verachten): Gesang und Keyboards im Vordergrund, Drums, Bass oder Gitarre weiter hinten (die beiden restlichen Lakeman-Brüder grüßen) und zauberhafte Backing-Vocals von Caras Schwester Mary. Was die CD auszeichnet ist der gelungene zweifache Balanceakt: bekanntes Material, spannend arrangiert und traditionelle Lieder, die weder Trad- noch Pop-Fans vor den Kopf stoßen.

Die Tatsache, dass die CD bei Rough Trade/Zomba im Vertrieb ist, lässt auf Konzerte hierzulande hoffen. Und tatsächlich, beim TFF Rudolstadt 2002 ist Cara Dillon zu erleben. Freuen wir uns drauf!

Mike Kamp


SOÏG SIBÉRIL
Gitar
(Coop Breizh CD 927)
13 Tracks, 45:20

Das neue Album des bretonischen Gitarristen ist wohl sein bisher bestes. Ich führe das nicht zuletzt darauf zurück, dass mehr traditionelle Stücke auf der CD sind als sonst bei ihm üblich. Damit soll nichts gegen seine Eigenkompositionen gesagt sein (auf dieser CD drei), aber solche entziehen sich häufig (nicht nur bei ihm) der Eingängigkeit durch Verlust identifizierbarer Themen. Da gelingt es selten mitzupfeifen, es bleibt irgendwo im Impressionistischen haften. Auf der Neuen ist da ein deutlicher Fortschritt zu verzeichnen. Es wird nun auch für Nichtgitarristen leichter, Soïgs bemerkenswerten Verzierungstechniken der linken Hand die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu trägt eine überragende Aufnahme- bzw. Mixtechnik (Patrice Marzin vom Studio de l'Arche in Locarn) bei. Die traditionellen Tunes beinhalten Irisches, Schottisches, Asturisches und natürlich auch Bretonisches. Als kongenialer "Zweitgitarrist" entpuppt sich bei einigen Tunes Jean-Félix Lalanne. Des weiteren unterstützen Jean-Loup Cortés (p, kb), der schon genannte Patrice (g, kb) und die Geigerin Sylvaine Guichen diese hervorragende Produktion, in der nur das dritte Stück durch zu viele Wiederholungen ein wenig abfällt.

Andel Bollé


THE BLUES BAND
Stepping Out
(Hypertension 2213/Edel Contraire)
12 Tracks, 45:54; mit Infos

Seit Beginn der 80er Jahre im Dienste des Blues aktiv, kommen die alten Kämpen Paul Jones (voc., harp), Dave Kelly (voc, sl. guit.), Tom McGuinness (guit, mand.), Gary Fletcher (guit., bass) und Rob Townsend (drums, perc.) mit Unterstützung von Ian McLagan (Hamm. org.) und Chris Barber (tromb.), auf ihrem 14. Werk mit fast ausschließlich eigenem Material. Jenes ist zwar immer noch den Vorbildern aus der South Side der am Michigan See gelegenen Stadt verpflichtet, die fünf Herren von der britischen Insel verstehen es allerdings, dem Songmaterial einen zeitgemäßen, gelegentlich rockigen Anstrich zu verpassen. Das Finale mit dem Gospel "Resting On Jesus" ist ein von Jones bearbeitetes Traditional. Herausragend, sowohl vom Reggae-Arrangement, als auch vom Text: Kellys Hommage an Sleepy John Estes, eine der alten, unsterblichen Blues-Legenden. Eine runde und abwechslungsreiche Veröffentlichung der Truppe, die aus den 60er und 70er Jahre Rock-Bands Manfred Manns, Family und McGuiness-Flint entstanden ist - der Gast an den Tasten, McLagan, war bei den Small Faces aktiv.

Annie Sauerwein


PETER RATZENBECK
Peter's Fancy
(Stockfisch/Inakustik SFR 357.1018.2)
15 Titel, 47:58; mit Texten, Infos und Tabs

Peter Ratzenbeck ist nach wie vor eindeutiger der Folk -Fraktion zuzuordnen, wenn man das so sagen darf. Der Österreicher mit dem vertrautem Bekenntnis zur keltischen Stimmigkeit zieht seine mehr stillen, oft sanften Kreise in ausdrucksvollen Stimmungsbildern, zeigt sich einmal mehr als Fingerstyle -Poet unter den Gitarristen. Mit seinen Kollegen, Gitarrist Chris Jones (auch an der Dobro) und Ralf Gauck sowie Hans-Jörg Mauksch jeweils an den Bässen webt er mit klarem Ton und ausgereiftem Spiel, eingebettet in einen wunderbaren Klangcharakter sehr balladeske Bilder voller Zauber. Neben seinen solistischen Instrumentals, die immer wieder einen starken irischen Hauch tragen, und den Songs fügen sich auch die genüsslichen Duette mit Jones (Der "Ohrwurm") wie filigrane Florettarbeiten in diesen Gesamtcharakter ein.

"Peter's Fancy" ist in der Tat ein Album, das seinem Titel gerecht wird und auf den Hörer jenen eigenartigen Nachklang überträgt, den man schon als Kind kennt: Verzauberung. Die jedoch, um einer Verklärung aus dem Weg zu gehen, ergibt sich, hier wie auch dort, weil das Erlebte stimmig und spannend 'erzählt' wird.

Steffen Basho-Junghans


VALERIE McCLEARY
McOne
(Eigenverlag Hanni Schmidt)
16 Tracks, 60:04; mit Infos

McCleary sings, und das ist gut so. Zum Glück hat sie, die aus Belfast stammende und seit etwa 20 Jahren in München lebende Irin, ein deutscher Freund entdeckt, denn Singen ist bekanntlich in Irland nix, was irgendwie der Rede wert wäre. Ist es aber in diesem Falle doch, auch wenn man nicht die Janis-Joplin-Stimme bekommt, die man nach Ansicht des Titelfotos erwarten möchte. Dafür bekommt man aber eine Art Bonny Raitt (ohne Gitarre allerdings), und das ist ja auch was Nettes. Die Gitarre(n) und massenhaft andere Instrumente (Geige, Harfe, Bouzouki, Querflöte, Tuba, Drums, Udu ...) sowie Satzgesänge liefern eine ganze Menge anderer Menschen. Aber Vorsicht, reiner Folk ist das nicht! McCleary hat doch eher eine angeraute Rock-/Jazzröhre, mit der sie zwar auch sehr bewegend vier sparsam bis überhaupt nicht begleitete Trads vorträgt, sich ansonsten aber aus den Schatzkästchen von Richard Thompson, Lennon/McCartney, John Prine, Jimmy Cox und anderen bedient und vom schmalzigen Desperado bis zum swingjazzigen "Georgia On My Mind" steht ihr einfach alles gut. Mit einem besonderen Schmäckerchen, das mit bayrisch-stämmigem Männergesang ein wenig an die Biermösln erinnert, erweist sie dann noch ihrem Wahlfreistaat die Ehre. Ein abwechslungsreiches und lebendig klingendes Debüt einer souveränen Stimme.

Kerstin Braun


HENRY MCCULLOUGH BLUES BAND
Belfast To Boston
(Walk Away Records WA 013)
9 Tracks, 44:50

Angekündigt hatte der alte Blues-/Rock-/Folk-Haudegen eigentlich ein "akustisches Album" (s. a. Porträt im Folker! 5/01), letztlich entschied er sich aber dann doch für ein, am Bandnamen ausgerichtetes Opus. Was damit zusammenhängen mag, dass Henrys künstlerischer Lebensmittelpunkt neuerdings Polen ist. Aufgenommen wurde die CD für das Label seiner Backing Band Walk Away, einem 1a-Jazz-Trio, das gerne mal den Blues über sich kommen lässt. Gut die Hälfte der Songs stammt aus Henrys Feder und zeigen einmal mehr, dass er ein wirklich guter Songwriter (geworden) ist. "Hi Ya Folks" kommt als hintersinniger Blues-Rock-Shuffle, gefolgt von einer Slow-Rock-Ballade, die auch schon gut in das Grease-Band-Repertoire gepasst hätte. Eine vergleichbare coole Stimmung verbreitet auch "Murder In My Heart" mit feinen 'duelling guitars'. Des weiteren interpretieren die Vier den Blues-Klassiker "Sick And Tired" sowie den Pomus/Shuman-Standard "Mess Of Blues", den Elvis schon sang. Das anrührendste und für mich beste Stück bleibt aber der fast 8-minütige Titelsong. Henry präsentiert diese (autobiografische) Folk-Ballade ganz dezent nur zur akustischen Gitarre (mit hübschen Verzierungen zum Schluss): eine Reminiszenz an seine Zeit mit den Sweeeney's Men? Einziger Wermutstropfen ist für mich die wiederholte Neuaufnahme von "I Can't Help Falling In Love" (also noch mal Elvis!), die als Slow-Reggae nix Neues bringt.

Roland Schmitt


PROVIDENCE - A Fig For A KissPROVIDENCE
A Fig For A Kiss
(Rolling River Productions RoRi CD 002)
13 Tracks, 49:31; mit Texten u. Infos

JOHN WYNNE
With Every Breath
(UPROS Music CD 001)
12 Tracks, 49:34; mit Infos

MICHEÁL Ó RAGHALLAIGH
The Nervous Man
(MOR Music CD 001)
12 Tracks, 48:16; mit gäl. u. engl. Infos

Als Providence im letzten Herbst bei "FiF - Folk im Feuerschlösschen", unserem Bad Honnefer Folkclub, spielten, war ich überrascht und begeistert. Das Quintett aus, na, sagen wir der Einfachheit halber Dublin zählt (noch!) nicht zu den ganz großen Namen im irischen Folkgeschäft, aber selten habe ich eine Gruppe gehört, die optisch so entspannt wirkt und trotzdem einen (unverstärkten!) Umwerf-Sound produziert, für den andere mindestens erst mal eine Busladung Technik brauchen. Gehört hatte ich vorher lediglich von Joan McDermott (ex- Fallen Angels), deren Gesang eigentlich dieses gewisse Etwas hat, das große Sängerinnen von guten unterscheidet. Einziger Vorwurf in ihre Richtung: Die Songauswahl ist in Teilen zu sehr auf Nummer sicher. "Will Ye Go To Flanders" z.B., ist ein schönes Lied, aber Joan gewinnt der Melodie keine neuen Aspekte ab.

Paul Doyle sorgt mit Gitarre und Bouzouki für die zuverlässige Basis und Clodagh Boylan ist eine junge, vielversprechende Fiddlerin. Überhaupt müssen die Instrumentalkünste aller Musiker außerordentlich sein, wenn komplizierte Reels, Hornpipes oder Jigs so mühelos und kompakt daherkommen. Das Spielen ihrer Instrumente ist für die Musiker offensichtlich so selbstverständlich wie das Atmen.

John Wynne aus Co. Roscommon ist nämlich so einer. Seine Solo-CD "With Every Breath" muss man gehört haben, um zu begreifen, welche Nuancen man aus irischen Tunes auf diversen Flöten und Whistles herausholen kann. Neben etlichen im Hintergrund begleitenden Musikern ist auch Bandkollege Paul Doyle mit von der Partie.

Und auch Micheál Ó Raghallaigh aus Co. Meath ist so einer. Den kleinen, unscheinbaren Blasebalg namens Concertina stellt er auf der CD "The Nervous Man" in den Mittelpunkt. Lediglich Harfe, Gitarre und Bodhrán helfen aus. Aber wer es bislang nicht wusste, dem wird hier eindrucksvoll bewiesen; nicht die Größe bestimmt die Variationsmöglichkeiten eines Instrumentes.

Und natürlich stellen alle ihre Talente in den Dienst der Gruppe Providence. Um mein Schwärmen ob ihres Auftrittes zu verstehen, braucht man nur das letzte Stück ihrer (zweiten) CD zu genießen. Live eingefangen in Dougie MacLeans Music Bar in Dunkeld, Schottland ist der Beweis, dass diese Gruppe kein Studio braucht, um zu überzeugen. Wenn Providence im Laufe des Jahres wieder nach Deutschland kommen, unbedingt hingehen! Satisfaction guaranteed!

Mike Kamp


RUDY LINKA
Every moment
(Acoustic Music Records/Zomba 319.1250.2)
12 Tracks, 55:59

Dieses durchweg sehr lyrische Album des tschechischen Jazz Gitarristen Rudy Linka erscheint bei näherer Betrachtung mit einiger Verspätung. So sind 8 der 12 Aufnahmen bereits 1994 entstanden, der Rest 1998. Doch Musik wie diese kennt kein Verfallsdatum. Völlig zeitlos interpretiert Linka Standards und Eigenes im Dialog mit Größen der zeitgenössischen amerikanischen Jazzszene. Allen voran ist sicherlich Linkas Lehrer und geistiger Vater John Abercrombie zu nennen. Auch wenn die beiden gewissermaßen eine Sprache sprechen, tritt Linka doch souverän aus dem langen Schatten seines 'guten Geistes' Abercrombie hervor, improvisiert eloquent und in intimem, poetischem Tonfall. Blindes Verständnis und höchste technische Vollendung treffen aufeinander.

Neben Gitarrenduos gibt es einige Begegnungen von Kontrabass und Gitarre - zum einen mit Mike Formanek, zum anderen mit George Mraz, einem langjährigen Sideman von Abercrombie. Dave Brubecks "In your own sweet way" sowie zwei Linka Originals bieten die seltene Paarung von Klavier und akustischer Gitarre - an den Tasten Gil Goldstein.

Ein Album für stille Stunden - Gedicht und Genuss in "jedem Moment".

Rolf Beydemüller


DI NAYE KAPELYE
A Mazeldiker Yid ­ Old time Klezmer from east Europe
(Oriente Musik RIEN CD 37)
20 Tracks, 53:59; mit fundierten Infos

In der Besetzung Bob Cohen (Gesang, Geige u.a. Saiteninstrumente), Christina Crowder (Gesang, Akkordeon), Jack "Yankl" Falk (Klarinette, Gesang) Gyula Kozma (Bass, Cello) und Ferenc Pribojszki (Cimbalom, Schlagzeug) sowie den beiden Gastmusikern Miály Sipos (Geige) und Péter Éri (Kontra) von Muzsikás wird der eindrucksvolle Versuch unternommen, den Klang einer transsilvanischen String Band wiedererstehen zu lassen. Das Repertoire der in Budapest beheimateten Band profitiert von dem glücklichen Umstand, unmittelbar aus den Quellen der reichen musikalischen Vielfalt des Balkan schöpfen zu können, auch wenn sie durch die historischen Umstände der letzten 60 - 70 Jahre beinahe versiegt sind. Mit der vorliegenden 2. CD wird man in die Melodien- und Klangwelt der im Norden Rumäniens beheimateten jüdischen und Roma-Musiker der Maramuresch geführt, einer abgeschiedenen Gegend, in der sich von der Mitte des 17. Jh. bis zum Holocaust eine große chassidische jüdische Gemeinde entwickelte. Im Begleittext wird deren Abgrenzung zur "jüdischen Aufklärung" und zur im 19. Jh. aufkommenden Klezmer-"Mode" ausführlich beschrieben.

Den hervorragenden MusikerInnen der "Nayen Kapelye" ist es gelungen, dass es unter den zahllosen sogenannten, willkürlich zusammengestellten 'Klezmer'-Produktionen wieder eine Edition gibt, die Substanz und Originalität aufweist und mit großem Genuss anzuhören ist.

Liane Fürst


PURE IRISH DROPS
Sounds from the North
(Liekedeler Musikproduktionen LIECD 01017)
14 Tracks, 43:04; mit Infos und Texten

THE GAELIC HERITAGE - CONNEMARA
(Ocora/Harmonia Mundi C 583029)
14 Tracks, 46:40; mit Infos

Alljährlich schickt Florian Fürst ein Projekt auf Deutschlandreise, das unter dem Namen Pure Irish Drops jedes Mal andere Musiker unter einem bestimmten Motto vereint. Der Name soll Programm sein, denn ausgewählt werden nur Musiker, die tief in der irischen Tradition stehen; daher ist an Musik zu hören, was man bei einer 'echten' Session im Pub vor Ort zu hören bekommen hofft. In diesem Falle (es ist die erste CD zu einem solchen Projekt) sind es Desi Wilkinson (von der Gruppe Cran - Flute, Gesang), Cathal Hayden (4 Men & A Dog - Banjo, Fiddle) und Jim McGrath (Akkordeon), die den Norden Irlands repräsentieren. Wie auf unzähligen anderen Platten ähnlicher Art kann man hier die Virtuosität jedes einzelnen Musikers bewundern wie auch das typisch rasante synchrone Zusammenspiel, aus dem der eine mal hier und der andere mal da zu sekundenkurzen eigenen Ausflügen aussteigt. Zu Gehör kommen vor allem Reels, auch Jigs, Marches, Highlands, Polkas, Slow Airs und zwei Songs. Zum tieferen Verständnis tragen die Liner Notes bei, die alle drei zu 'ihren' jeweiligen Tunes beisteuerten.

Anders als das obige 'künstliche' und doch stimmige Projekt stellt "Connemara" Songs im unbegleiteten sean-nós-Stil und Tunes mit ganz unterschiedlichen Instrumenten vor, die eher den Charakter von Feldaufnahmen tragen, jedoch in meist guter Klangqualität. Nicht in jedem Falle werden die Interpreten genannt; im Falle der Songs handelt es sich meist um ältere Mitglieder der Familie O'Soole/Mullen. Die Aufnahmen sind natürlich besonders für Sammler interessant, vermitteln aber darüber hinaus jedem, der sich für irische Traditionen interessiert, einen Eindruck davon, was sich in abgelegenen Pubs noch heute abspielen kann: "... erhebt sich dann ohne jede Zurückhaltung eine Stimme. Der Sänger hält während der ganzen Zeit des Gesangs die Hand seines Zuhörers ... etwas später am Abend trifft ein Geiger einen anderen und beide werden trotz des teilweise akrobatischen Tempos unbeirrbar und taktfest im Gleichklang spielen." Und wenn sie nicht gestorben sind ...

Kerstin Braun


FERNANDO MACHADO SOARES
The Fado of Coimbra
(Ocora/Harmonia Mundi 582041)
14 Tracks, 57:04; mit engl. Infos

"Hörst Du neuerdings Opernarien?", fragte mich kürzlich meine Partnerin, als sie in mein Zimmer trat. Gleichentags las ich in einem von Paul Vernon verfassten Artikel, der vor einigen Jahren im Folk Roots erschien, dass einer seiner Freunde den Fado de Coimbra als eine Mischung aus Oper und Blues bezeichnete. Der Vergleich mit der Oper mag angesichts der schlichten Begleitung auf der Gitarre und der portugiesischen Gitarre etwas stark sein; die Art, Fados zu intonieren, hat aber nur wenig mit Folk oder Volksmusik zu tun. Die klassisch geschulte, starke Stimme von Fernando Machado Soares ist für Ohren, die auf natürliche Stimmen getrimmt sind, etwas gewöhnungsbedürftig. Die eher getragene Vortragsweise dürfte der Grund sein, dass kaum Aufnahmen des studentischen Coimbra-Fado erscheinen. Demgegenüber wird der Fado aus Lissabon, der Fado der "kleinen Leute", immer populärer. Verschiedene der in der Ocora-Produktion enthaltenen Stücke sind auch auf den ersten Platten von Machado Soares' Freund José Zeca Afonso zu finden. Afonsos unprätentiöse Art, Volkslieder und Fados aus Coimbra vorzutragen, offenbart die portugiesische Seele mit ihrer Schwermut, der Saudade, ungleich stärker. Neben der epischen Gesangsdarbietung von Fernando Machado Soares fallen die ohne jedes Make up entstandene Live-Aufnahme aus dem Jahre 1989 und die kurzen aber fachkundigen Liner-Notes auf.

Martin Steiner


AÑJEL IK
Diank
(Griffe/Sony France Gri 191472)
10 Tracks, 42:09; mit breton. Texten u. franz. Erläuterungen

Die erste CD von Añjel IK enthielt ein Q-Tip, damit sich die Puristen die Ohren reinigen können. Obwohl die Scheibe nur aus vier Titeln bestand, sorgte sie 1999 mit ihrem frischen, leicht britischen Groove in der Bretagne für Aufsehen - und man wartete gespannt auf das erste 'richtige' Album. Dann stieg jedoch Sänger Kristen Nikolas (der sonst bei Kern singt) aus und alles dauerte etwas länger. Jetzt aber gibt es die CD "Diank" und für die größte Kontinuität sorgt ausgerechnet der neue Sänger Yann Raoul (früher Hirhoal). Denn sein Gesangsstil ist dem von Nikolas nicht unähnlich, auch wenn Raouls Stimme wärmer und irgendwo aristokratisch klingt. Ronan Méléard an der Bombarde und Gael Nicol (Ex-Ar Re Yaouank) am Dudelsack (biniou kozh) kommen überwiegend in den Gesangspausen zum Einsatz. Über längere Passagen gibt es auch immer wieder nackten Añjel IK-Groove zu hören, für den die beiden Bandleader Kate Clause (Bass, Keyboards) und Hervé Duprez (E-Gitarre) sowie Christophe Pichon (Percussion) sorgen. Clause und Duprez haben den Sound diesmal allerdings amerikanisiert, funkiger und souliger gestaltet, was ihm zugleich etwas die Frische nahm. Außerdem spielt Clause zu viel mit altmodisch klingenden Elektronik-Gimmicks herum. Es bleiben gemischte Gefühle zurück.

Christian Rath


FIDDLER'S BID - Da Farder Ben Da WelcomerFIDDLER'S BID
Da Farder Ben Da Welcomer
(Greentrax Recordings/Fenn Music Service CDTRAX218)
12 Tracks, 46:51: mit Infos

Im Folker! 3/99 äußerte ich mich bereits ziemlich enthusiastisch über den Label-Erstling dieses Septetts und ich muss sagen, sie sind in den letzten Jahren mit Sicherheit nicht schlechter geworden. Für den Laien klingen sie ein wenig wie die Blazin Fiddles. Kein Wunder bei vier Fiddles, aber natürlich sind sie als bodenständige Bewohner der Shetland-Inseln geographisch und stilistisch eher einzuordnen als das erwähnte schottlandweite Ensemble. Das kleine Streichorchester wird sinnvoll ergänzt durch Harfe, Gitarre und Bass. Geradeaus spielen sie genau die Instrumentalmusik, die die Shetland-Inseln auszeichnet; entweder melancholisch verträumt wie bei "Leaving Lerwick Harbour" des unvergessenen Willie Hunter oder in mitreißendem Tempo wie bei "The Pumping Bass". Und wer meint, das Titelstück trüge einen seltsamen Titel, der sollte sich mal den Track 6 zu Gemüte führen. So sprechen die Leute dort oben eben. Eine CD ohne Schwachstellen!

Mike Kamp


CARLO FAIELLO
Le Danze di Dioniso
(Oriente Musik RIEN CD 36)
12 Tracks, 41:09, mit Texten u. Infos

In den 70er Jahren kupferten Rockmusiker wie Steve Miller groß ab, indem sie ihre Songs stur auf höchstens dreieinhalb Minuten kürzten und die Melodielinien an erfolgreiche Songs anlehnten. Das Konzept ging auf, die Platten fanden reißend Absatz. Ein ähnliches Konzept verfolgt Carlo Faiello, früher Bassist bei der legendären "Nuova Compagnia di Canto Populare": Einmal tönt der Neapolitaner nach Musicanova, dann nach Mau Mau. Die kurzen Stücke lassen kaum einen musikalischen Bogen zu. Dafür sind sie vom ersten bis zum letzten Ton tanzbar und fast ausschließlich mit akustischen Instrumenten äußerst druckvoll eingespielt. Neben der Tammurriata finden sich auf "Le Danze di Dioniso" ein Raï oder ein Sirtaki. Prägend sind die stark arabischen und griechischen Einflüsse der aufwändig produzierten CD. It's only Mediterranean dance music but I like it - und das tanzt sich fast noch besser als der Rock der 70er Jahre.

Martin Steiner


BEV
variabile/naturale
(Dunya Records/Felmay/Justrecords Babelsberg fy 8040 2)
12 Tracks, 47:01; mit Texten u. ital./engl. Infos

BEV, oder um den vollen Namen zu verwenden Bonifica EmilianaVeneta, sind schon eine herausragende Band. "variabile/naturale" ist das zweite Album der fünf Italiener, ihr Erstlingswerk "Apotropaica" war für mich das beste Album im Jahre 1999 - und dieses Album schließt nahtlos daran an.

Auch in Deutschland haben sich diese Norditaliener schon einen Namen gemacht - u. a. haben sie einige unvergessliche Konzerte auf dem TFF Rudolstadt 2000 gegeben. Nun zur Musik - BEV spielen ausschließlich akustische Instrumente (Kontrabass - Claudio Pesky Caroli; diatonisches Akkordeon - Luciano Giacometti; Gitarre, Dudelsack, Saxophon - Marco Mainini; Dudelsack, Gitarre, Mandoloncello, Klarinette - Alessandro Mottaran; Geige - Stefano Olivan und als Gast kommt noch der ausgefallene Perkussionist Sbibu hinzu). Ihre Instrumentaltitel sind sehr energetisch und mitreißend. Auch wenn sie stark in der Tradition der norditalienischen Regionen verwurzelt sind, sind die Titel doch zum großen Teil von den Musikern von BEV selbst komponiert. Neben ihrem Talent als Instrumentalmusiker sind BEV aber auch noch exzellente Sänger, alle Bandmitglieder singen - zumindest im Hintergrund. Sie präsentieren auf diesen Album wunderschöne Vokalharmonien. BEV ist zur Zeit wohl die heißeste Band aus Norditalien, was sie mit diesem Album wieder eindrucksvoll bewiesen haben.

Christian Moll


NORMAN KENNEDY
Live In Scotland
(The Tradition Bearers LTCD2002)
16 Tracks, 58:59; mit Infos

ALISON McMORLAND & GEORDIE McINTYRE
Rowan In The Rock
(The Tradition Bearers LTCD3002)
14 Tracks, 59:12; mit Texten u. Infos

Im Folker! 5/2000 rezensierte ich die ersten beiden CDs der schottischen Serie "The Tradition Bearers", mittlerweile sind sechs weitere CDs und zwei weitere Serien entstanden und aus "The Magic Of Live"-Serie stammt die Platte von Norman Kennedy. Live heißt hier a-capella und wenn ich damals schrieb, die Lieder seien Freunden schottischer Musik häufig bekannt, dann trifft das (wie überhaupt der größte Teil jener Rezension) auch auf diese CD und die nächste zu. "Nancy Whisky", "The Rigs O Rye" oder "The Cruel Mother" verdeutlichen dies. Es ist immer wieder faszinierend, wie Menschen lediglich mit Gesang in der Lage sind, ein Publikum zu fesseln.

McMorland und Gatte McIntyre (plus Tochter Kirsty Potts, Patsy Seddon, Norman Chalmers u.a.) bieten einiges an Instrumenten auf, aber immer kommt auch hier der Gesang bei den teils traditionellen, teils zeitgenössischen (z.B. von Geordie), aber immer wohlausgewählten Lieder an erster Stelle. Dafür sorgt erneut Ian McCalman in seinem Studio. Das Konzept beider CDs ist in positivem Sinne altmodisch. Keine Experimente, keine Fusionen, ein Beiheft, das den Namen verdient hat und schottische Lieder, einfach wunderbar gesungen, ohne große technische Tricks. So klingt es im Konzert, bei der Session oder zuhause und diese Musik hat die gleiche Berechtigung wie vorwärtstreibende, aufregende musikalische Erneuerungen. Wenn Mutter Alison und Tochter Kirsty zusammen singen, dann weiß ich, dass ich solche Klänge nie missen möchte. Großartig!

Mike Kamp


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