backRezensionen Deutschland


NADIA BIRKENSTOCK
Emerald Isles
(Eigenverlag)
14 Tracks, 48:44; mit Texten

Frau Birkenstock hat Schuhe und Keltenharfe geschnürt, ist ins Studio gezogen und hat sich große Mühe gegeben, eine schöne Platte einzuspielen. Und? Nun ja, die Antwort ist wie immer subjektiv. Falls jemand Frau Birkenstocks Art zu musizieren kennt und liebt, würde ich sagen: Platte kaufen! Sie spiegelt bestimmt gut, was man aus einem Konzert kennt, und das in hoher Qualität, was sowohl für ihre als auch für die Tontechnik gilt. Allen anderen sei gesagt, dass Frau Birkenstock zwar eine angenehme Stimme hat, mit dieser aber die traditionellen irischen und englischen Songs eher ungewöhnlich gestaltet - es wirkt auf mich "künstlich", im Sinne von Kunstmusik. Da sie aber auch ansonsten versucht, sich von Traditionen etwas zu lösen und verschiedenartige Arrangements anzubieten, passt das so recht gut zusammen. Allerdings ist es für mich nicht interessant genug, um meine Aversion gegen auf jeder zweiten deutsch-irischen Platte vorhandene Standards in reines Vergnügen umzuwandeln (Lord of the Dance, The Water Is Wide, She Moved through the Fair); die (mir) unbekannteren englischen und eigenen Songs nach traditionellen Texten sind aber durchaus originell. Kunstgenuss für Kunstmusikliebhaber.

Kerstin Braun


STOPPOK - w.e.l.l.n.e.s.s.STOPPOK
w.e.l.l.n.e.s.s.
(Grundsound/Indigo)
13 Tracks, 59:48; mit Texten u. Infos

Stefan Stoppoks Lieder sind keine nur schnulzig oder sonst wie untermalten Allgemeinplätze, sondern Ausdruck seiner Lebensspannung. Musik und Text machen seine menschlichen Regungen, besser Erregungen, für den Zuhörer nachvollziehbar. Und er tut Gefühle kund, die viele Menschen eben nicht so artikulieren können. Aber das ist meiner Ansicht nach alles hinreichend bekannt. Insofern braucht man bei seiner neuen CD nur zu fragen, ob Stoppok mit seinen Musikerkollegen die Erwartungen erfüllt, ob er Neues bietet. Der Titelsong als letztes witziges Lied offenbart jedenfalls wieder neben der den Künstlern eigenen Ironie sprachlichen Humor und eine parodistisch verspottende vergnügliche Melodie. Übrigens: auch der Text der Bookletseiten ist trotz farblicher Unterlegung und grafischer Gestaltung gut lesbar!

Stephan Rögner.


HOOTIN' THE BLUES - Mostly Feelin' GoodHOOTIN' THE BLUES
Mostly Feelin' Good
(Out of Space Records/Inakustik)
16 Tracks, 61:50; mit Infos

Als Bewahrer des klassischen Bluesschatzes gehen der Harmonika-Virtuose Gerd Gorke, Günther Leifeld-Strikkeling mit Gitarre, Banjo, Mandoline und Rupert Pfeiffer, ebenfalls Gitarre, aus dem Münsterland zu Werke. Der Titel ist Programm. Auch bei dem im Original eher verhaltenen Tampa Red-Stücke "Cryin' Won't Help You" swingt, stampft und groovt es gnadenlos, dass es eine Freude ist. Nach eigenem Bekunden besteht das Trio seit 1987 und mit "Mostly Feelin' Blues" liegt nun ihre dritte CD vor. Neben drei Eigenschöpfungen von Leifeld-Strikkeling - dem Titelsong, dem originellen "Little Red Hen" und "Leavin' Children" sowie "Blue Hour", einem jazzigen Gemeinschaftswerk von Gorke und Pfeiffer mit einer außergewöhnlichen Harmonikaarbeit im Stile von Toots Thielemanns - sind unter den 17 Spuren noch Coverversionen von Casey Bill Weldon, "Sippie" Wallace, Willie Dixon, Charly McCoy, Chuck Berry und B. B. Broonzy zu finden. Instrumental auf gehobenem Niveau, schwächelt der Gesang mitunter und zwei Liedern sollten, wenn es irgendwie geht, die Ohren von geneigten Blueshörern verschonen: "I Can't Be Satisfied" und "Sittin' On Top Of The World". Denn derartige Gassenhauer hat das spielfreudige Trio eigentlich nicht nötig.

Annie Sauerwein


MANNIJO - AbrakadabraMANNIJO
Abrakadabra
(Op der Lay CD 60700)
12 Tracks, 42:08; mit Texten u. Infos (vornehmlich franz.)

In der Saar-Lor-Lux-Region (s.a. Szenebericht im FOLKER 5/01) hat sich das deutsch-französische Duo bereits einen festen Stammplatz erspielt. Beide Musiker/Sänger, der moselfränkische Rheinländer Manfred Manni Pohlmann und der Lothringer Jo Nousse, sind dort seit Jahren in der Folk-, Chanson- und Rockszene aktiv. Der Duo-Name als Wortspiel aus den Spitznamen der beiden sowie dem Namensgeber für ein die Nachbarvölker trennendes Festungswerk entwickelt, ist Programm: Die bunte Mixtur aus selbst verfassten, von anderen Autoren übernommenen und traditionellen Liedern steht für die kulturelle und sprachliche Vielfalt der Dreiländerregion. Gesungen wird in französisch, deutsch, muselfränkech, letzebuergisch. Die Themen gehen querbeet: Historisches, Privates, Skurriles, Zeitkritisches, und die Musik spannt den Bogen vom Pop-Chanson ("Mannijo") zum Folk-Rock ("Malbrucks Léid"), vom Cajun ("Travailler, cést trop dur") zum Mittelalter-Rock ("Scheiern, Scheiern laachen"). Die sehr unterschiedlichen Stücke sind recht fantasievoll arrangiert; die drei Gastmusiker sorgen mit ihren Instrumenten (u. a. Drehleier, Klavier, Schlagzeug) für einen "vollen" Sound, den Mannijo live eben nicht bieten können. Wenngleich das Album alles in allem etwas heterogen wirkt, so ist es durchaus ein gelungenes Beispiel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zweier Musiker.

Roland Schmitt


HELIUM VOLA - Helium VolaHELIUM VOLA
Helium Vola
(Chrom Records/Indigo)
14 Tracks, 60:56

Wie sag' ich's meinem Kinde? So zwiespältig hat lange keine Musik meine Ohren berührt. Einerseits extreme Elektronikspielerei und -bastelei unter Leitung von Ernst Horn. Andererseits tauchen wunderschöne Gesangsparts auf. Ist es historisches Material, zu respektlos versampelt? Oder sind es Dance-Grooves, denen man Alte Musik aufgepfropft hat?

Sehr experimentell und futuristisch das Ganze, aber stilistisch konsequent durchgezogen. Eine Mischung von Dance-Beats, Samples und viel Elektronik-Schnickschnack mit mittelalterlichem Gesang. Dieser schwebt in Deutsch, Latein und Französisch sphärisch ein, zum Teil noch verfremdet. Herauszuheben ist Sabine Lutzenbergers Stimme ("Ensemble für frühe Musik Augsburg"). Sonst ist zu den Liedern wenig zu sagen, da der Promo-CD zwar blumige Werbesprüche, aber keine Cover oder Infos beilagen.

Vergleiche sind nicht angebracht, da auf kommerzielles Glattmachen wie bei sonstigen Crossover-Projekten dieser Art nicht viel Wert gelegt wurde. Eher erinnert die Mischung an Moderne Musik a la Stockhausen und Mauricio Kagel. Manche Stücke (Track 6, 7 und 9) sind schon sehr "free", man quält sich echt beim Durchhören. Meine Tochter fasste diese Parts kurzerhand zusammen: "Papa, das nervt!". Und gleich darauf wieder ein Labsal für geschundene Ohren: phantastischer Gesang, mit dezenten Beats im Hintergrund. Da hilft wirklich nur die Programmiertaste des CD-Players.

Piet Pollack


SCHRAMMEL + SLIDE
famous for not being famous
(Wonderland Records/Zomba 319.9027.2)
15 Tracks ; 44:44

Seit 1993 streut das Duo Hans Reffert/Adax Dörsam alias Schrammel + Slide in regelmäßigen Abständen seine musikalischen Skurrilitäten unters Volk. Wie schon bei den Vorgängern scheint nichts vor dem parodierenden Zugriff der Saitenakrobaten sicher. Da wird aus einem Augenzwinkern auch schon mal ein breites Grinsen. Als versuchten Aliens nach der Rückkehr auf ihren Heimatplaneten dem gespannten Publikum zu erklären: "Hört mal Leute, so klingt das auf der Erde." Die Guten haben allerdings einiges durcheinander geworfen: alpenländisch Geschrammeltes mit Countrythemen, Mambo und Blues, den Soundtrack aus Winnetou III mit einem "chinesischen Kampflied", von Paris nach Texas in drei Minuten und selbst die arabische Oud scheint eher nach Memphis als nach Kairo zu gehören. Herrlicher minimalistischer Nonsens, mal völlig überdreht, mal zart geswingt. Schrammel + Slide sorgen auf höchstem technischen und musikalischen Niveau dafür, dass der Spaß in der Musik nicht zu kurz kommt.

Rolf Beydemüller


B. B. & THE BLUES SHACKS
Midnite Diner
(CrossCut Records 11070)
17 Tracks, 50:38; mit Infos

Mit ihrem siebten Album legen die Hildesheimer Blues Boys ihr stärkstes und auch am ansprechendsten verpacktes Teil vor. Dies gleich vorab. Als Ein- und Ausstieg erklingt der "Swamp Blues" von Slim Harpo. Mutig und selbstbewusst, sich dem direkten Vergleich zu stellen. Dass sie diesen nicht zu scheuen brauchen, beweisen die Blues Shacks bereits mit der ersten Nummer "Take A Chance". Für die Titel zeichnen Sänger und Harmonikaspieler Michael Arlt und Gitarrist Andreas Arlt als Verfasser. Die übrigen Coverversionen mit teils rau abgemischten Chicago-Blues im Stile der 40er und 50er Jahre stammen von Joe Josea und Maxwell Davis, Charles Calhoun und James H. Moore. Neben den weiteren beiden Mitgliedern des Quartetts, Henning Hauerken, Bass und Andreas Bock, Schlagwerk, greifen als spezielle Gäste noch Christian Rannenberg in die Pianotasten und steuert bei zwei Tracks Marc Thijs perkussive Klänge bei. Eine durchaus als gelungen zu bezeichnende Produktion Für jene, die gut gemachte Covers und am Retro-Blues orientierte Eigenkompositionen den Originalen vorziehen und ohne Scheuklappen zu schätzen wissen.

Annie Sauerwein


CLAUS BOESSER - FERRARI
Stageplay
(Acoustic Music Records/Zomba 319.1251.2)
15 Tracks, 42:46)

Bei Urteilen ist mancher bestrebt, mit Vertrautem zu vergleichen - manchmal erschreckend kurzsichtig, wie der vorliegende Pressetext zeigt. CBF ziehe hier in der akustischen Gitarrenmusik bisher ungehörte Register - so ungehört sind sie nicht, wohl aber unorthodox für den Mainstream der akustischen Gitarren-Szenerie. Er gehöre zu den Gitarristen, die sich mit einem Fuß über der Horizontlinie ihres Genres bewegen(...). Zum Glück ist sein Blickwinkel viel weiter. Was er überschreitet und immer neu steckt, denn darum geht es dem Expressionisten Boesser-Ferrari, ist der Horizont seines Vokabulars, das immer wieder einen sehr breit gefächerten Hintergrund verrät. Gitarrist, ja, denkt er jedoch als Musiker und schöpft bei den Stücken, allesamt als Bühnenmusik konzipiert, aus den verschiedensten Inspirationen, um seine Gedanken zu den Stücken, auch mit unorthodoxen Mitteln des Gitarristen, zu Klang werden zu lassen. Dabei ergibt sich, auch durch die Zusammenstellung ein sehr homogenes, an Dynamik, aber auch sinnlich reiches Gesamtkonzept, eine Art Klangtheater, wie man es etwa mit japanischer Kunst in Verbindung bringen möchte. Perkussive Explosionen verbinden sich mit stillen Momenten zu zeitunabhängigen Welten, die, einmal ausgebreitet, den Hörer einverleiben. CBF denkt über puren Gitarrismus hinaus, nicht erst seit diesem Album, aber immer wieder aufs Neue.

Steffen Basho-Junghans


DUIVELSPACK - In 3 Teufels NamenDUIVELSPACK
In 3 Teufels Namen
(Eigenverlag)
13 Tracks, 47:09

Duivelspack ist ein Trio aus Detmold - eine der vielen Mittelalter-Deutschfolk-Gruppen, die aber an verschiedenen Stellen durchaus aufhorchen lässt. Zum einen ist da der sehr gute Geiger, der immer wieder überraschende Melodiefloskeln einbringt. Zum anderen der gewisse Witz und Humor, der sich durch Platte, Cover und Webseite zieht ("... er ist ein begnadeter Primär- und Terziärintonator, d.h. Zweitstimmengröler..."; "... eine wandelnde Jukebox mit Liedern aus 1000 Jahren..."). Ansonsten hört man das übliche historische Instrumentarium, zumeist in traditionellen Arrangements. Wohltuend, dass mal keine Elektronik den Sound vermanscht.

Teilweise erklingt Kneipen-Folk zum Mitsingen (die einfachen Refrains für den späten Abend mit'm tru-deri-dera...), das meiste sind aber Mittelalter- und Renaissance-Standards, allerdings auch einiges eher Unbekanntes. Ein Hang zu Moritaten und zum Geschichten-Erzählen ist erkennbar. Und auch die regionale Volksmusik darf nicht fehlen - u.a. mit den altbekannten Lippischen Schützen.

Piet Pollack


Home