backRezensionen Europa


DICK GAUGHAN
Outlaws & Dreamers
(Greentrax Recordings/Fenn Music Service CDTRAX 222)
11 Tracks, 50:11; mit Texten u. Infos

„Gaughan pur“ auf seiner dritten CD für das Greentrax-Label. So pur wie z.B. auf dem Rudolstädter Festival im vergangenen Jahr, nach dessen Besuch er sich ins nordenglische Studio begab. Exquisites Gitarrenspiel, durchdachtes Material und ein Gesang, dessen Intensität ins Herz trifft.

Doch wenn wir uns die Stücke genauer anhören, dann stellen wir fest, dass die CD das „Gaughan“ nur eingeschränkt tragen darf. Brian McNeill, den Gaughan im Beiheft als „einen meiner Heroen“ bezeichnet, spielt nicht nur 2x Fiddle bzw. Concertina, zwei der Lieder stammen aus seiner Feder („The Yew Tree“ und „Strong Women“) und ein weiteres („John Harrison's Hands“) hat er mit Gaughan zusammen verfasst. Weitere Lieder, die der Schotte intoniert, stammen interessanterweise meist von Amerikanern wie Woody Guthrie, Si Kahn oder Phil Ochs. Dazu kommt eine traditionelle Ballade mit dem nicht völlig neuen Effekt eines durchgehenden Borduntons („Dowie Dens Of Yarrow“) und ein Gitarreninstrumental („Florence In Florence“).

Dick Gaughan (ex-Boys of the Lough, ex. Five Hand Reel, ex-Clan Alba, aber meistens sein eigener Herr) stellt mit dieser CD erfolgreich das Lied und seine stimmliche Interpretation in den Mittelpunkt. Selbst das spartanische, aber völlig ausreichende Beiheft unterstreicht diese Tatsache. Für mich sein bestes Werk seit „Handful Of Earth“ vor 20 Jahren.

Mike Kamp


TIMNA BRAUER
Voices for Peace
(Eigenverlag TB 008)
11 Tracks, 63:52; Begleitheft mit vielen engl. Infos

Das neue Album Timna Brauers, Absolventin der Musikakademie in Wien und der Sorbonne in Paris, ist ein Mitschnitt aus einem Live-Konzert vom 28. Dezember 1999 im Wiener „RadioKulturHaus“, aufgelegt jedoch erst rund 18 Monate später in einem aufwendigen 15 x 21 cm Einband, so dass diese CD eher in ein Bücherregal als in die reguläre CD-Sammlung einzuordnen wäre. Timna erzählt in einem langen Aufsatz über ihre israelischen Familiebande und deren Bezug zu Palästinensern.

Es war kein leichter Weg zu diesem jüdisch-christlich-islamischen Projekt, in dem kulturelle und vor allem auch politische Gegensätze in Gemeinsamkeit ertönen. Aber schließlich konnten neben dem hauptsächlich jüdischen „Collegium Tel Aviv“ zwei arabische Frauenchöre aus Nazareth und Jaffa gewonnen werden; insofern ist mit „Friedensstimmen“ ein durchaus passender Albumtitel gefunden. Elias Meiri zeigt sich wie in früheren Projekten Brauers verantwortlich für das musikalische Arrangement der auf Arabisch, Hebräisch, Lateinisch und in anderen Sprachen gesungenen liturgischen Lieder, darunter etwa „Allah ya Mulana“, ein Lied der Sufis aus Marokko, ein altes arabisches Weihnachtslied oder eine Melodie zu Versen aus dem Alten Testament (Hohelied des Salomon 1,2-4).

Matti Goldschmidt


STEVE TILSTON
Life by Misadventure
(Market Square Records)
11 Tracks, 65.16; mit Infos

Der außergewöhnliche britische Gitarrist und Singer/Songwriter Steve Tilston – seit Anfang der 70er Jahre in der Szene aktiv – unterscheidet sich in einigen Punkten wesentlich von der Mehrheit seiner Kollegen. Tilstons musikalische Einflüsse sind vielfältig, sie reichen vom Rock'n'Roll und Jazz über die Klassiker wie Chopin und Rodriguez bis hin zu den innovativen Fingerstyle-Gitarrentechniken eines John Renbourn oder Bert Jansch. Tilstons Gitarrenspiel ist virtuos, in seinen Songs und Instrumentals verschmelzen verschiedene Genres zu einer eigenständigen, subtilen, meist sehr harmonischen Musik. Blues („Nowhere to hide“ ) und Ragtime-Fingerpicking („Tsetse Fly Shuffle“) stehen gleichberechtigt neben klassischen Impressionen und spanisch/lateinamerikanisch-inspirierten Rhythmen und Klängen („Lazy Tango“). Bestechend sind die vielschichtigen , raffinierten Arrangements auf teilweise folk-untypischen Instrumenten wie Piano oder Cello. Steve Tilston begleitet sich überwiegend auf der Konzertgitarre.

„Life by Misadventure“ – ein Re-Release eines erstmals 1987 veröffentlichten Albums – enthält als Bonus –Track die 23-Minuten lange Suite „Rhapsody“: wunderbar leichte und relaxte, ja sphärische Instrumentalmusik, jenseits von süßlichen New-Age, gleichermaßen verwurzelt in keltischen wie in klassischen Traditionen, eingespielt mit einer Reihe hochkarätiger Gastmusiker. Diverse Streichinstrumente, Flöten und Uilleánn Pipes machen diese Suite zu einem exquisiten Hörgenuss.

Anne D. Marcordes


JEAN FELIX LALANNE & YAN VAGH
Voies secrètes
(Acoustic Music Records/Zomba 319.1246.2)
12 Tracks, 47:53; mit Infos

Ein gitarristisches Muss! Damit beendet man eine Rezension, ich weiß – aber warum lange herumreden? Immer wieder wird die Gitarre gerne als Orchester „en miniature“ beschworen. Ein hübscher Vergleich und meist nicht mehr als ein schöner Traum. Es hat der „geheimen Stimmen“ von Lalanne und Vagh bedurft um diesem Traum Leben einzuhauchen. Zwei mit allen klassischen, jazzigen, folkigen und wie auch immer gearteten Wassern gewaschene Vollblutgitarristen schöpfen aus dem Vollen. Nylon- wie Stahlsaiten, sowie eine dramatisch in Szene gesetzte 10-saitige „fretless“ Gitarre sorgen für ein sehr lebendiges, abwechslungsreiches Klangbild. Bundlose Gitarren sind mittlerweile immer häufiger bei der wachsenden Schar von World Music inspirierten Instrumentalisten zu hören. Der Oud–ähnliche Sound kommt hier sehr schön zur Geltung und ist nicht nur netter Farbtupfer. Komposition und Improvisation fließen so selbstverständlich ineinander, dass sich kaum ausmachen lässt, wo die eine beginnt und die andere aufhört. Dezente ‚neue' Töne, klassisch Inspiriertes und eine gehörige Portion Jazz mit großer Virtuosität und typisch französischem Charme vorgetragen. Ein gitarristisches ... aber das hatte ich ja bereits gesagt.

Rolf Beydemüller


TARRAS
Walking Down Mainstreet
(Topic Records/inakustik TSCD524)
10 Tracks, 51:07; mit Texten

Die junge nordenglische Band war vor ein paar Jahren eine Sensation: ohne Plattenvertrag auf das Cover unserer grossen Kollegen von FRoots! Dann brachte das Quintett ihren Erstling raus. Kritikermeinung: Nicht schlecht für den Anfang, was nichts anderes hiess wie, dass man sich mehr von der Band versprochen hatte. Die jedoch tourte und tourte (u.a. auch in Deutschland), schrumpfte zum Kern-Trio und legt jetzt einen CD-Nachfolger vor, der überzeugt.

Jon Redfern (Vocals, Gitarre, Percussion, Harmonika), Ben Murray (Vocals, Akkordeon, Whistle, Keyboard, Piano) und Joss Clapp (Vocals, Gitarre, Bass, Mandolin, Mandola) sorgen für gerechte Anteile: halb instrumentell, halb Gesang, halb trad., halb eigen. Und immer die glorreichen Drei in diversen Kombinationen als Schöpfer und Arrangeure. So sind es weniger die geschmackvollen Instrumentals (bei denen als permanenter Gast Louise Peacock mit der Fiddle herausragt), die die Eigenständigkeit der Gruppe beweisen. Bei den Liedern kommen mir die seltsamsten Assoziationen, mal Bert Jansch, mal Pink Floyd, mal Dougie MacLean, aber in erster Linie. Das swingt, rockt, folkt und groovt, ist voller überraschender Details und passt in keine Schublade. So gut sind Tarras.

Mike Kamp


STILLE VOLK
Satyre Cornu
(Prophecy Productions)
11 Tracks, 45:03; mit Texten

Häh...fehlt hier der Artikel, die Endungen, sollte es später doch noch mal ein Nominativ werden, oder was will die Band uns mit ihrem Namen sagen? Egal. Die französische Band legt inzwischen den dritten Longplayer auf den Tisch, ohne dass man (oder zumindest ich) bisher von ihr gehört hat. Aber Freunde der mittelalterlichen Minne sollten dieser Band ruhig ihr Ohr leihen. Hätten Tri Yann im Mittelalter gelebt und zufällig In Extremo oder Corvus Corax getroffen, hätten sie sich vielleicht Stille(s) Volk genannt, wer weiß. Mit dieser Scheibe reisen wir ins 12. Jahrhundert, holen allerlei Schalmeien, Schlagwerk, Flöten und Dudelsäcke heraus, bedienen uns auch der Leier, Lauten, Geigen und Gitarren und vor allem der altfranzösischen Sprache.

Nun, letztlich eine nette, aber nicht meilenweit herausragende Mittelalterfolk-Band, die wegen ihrer mystischen und heidnischen Adern – der alte Liebesgott Pan hat es ihnen angetan – ebenso von Fans aus dem Darkwave- und dem Folkbereich geliebt wird. Ob sich die Franzosen auch das Metalpublikum erschließen wollten? Keine Ahnung, aber ihre mittelalterliche Coverversion eines alten Iron Maden Knallers („Adoumestica una Terro“) ist ein kleiner Leckerbissen. Insgesamt schön anzuhören, sehr stimmige Dynamik, aber nicht das Album des Jahres.

Claudia Frenzel


MARIZA
Fado em mim
(World Connection 43028)
12 Tracks, 45:56; mit portug./engl. Texten u. Infos

JORGE FERNANDO
Velho Fado
(World Connection 43025)
10 Tracks, 38:07; mit portug./engl. Texten u. Infos

Das CD-Booklet lässt keinen Zweifel aufkommen. Fünfzehnfach blickt einem da die Sängerin kunstvoll drapiert entgegen, vom Haar bis zu den Fingernägeln auf Diva gestylt. Hier tritt laut Waschzettel eine 26-jährige Frau in die Fußstapfen von Amália Rodrigues. Dass dieses Unterfangen nicht scheitert, ist Custódio Castelo (portugiesische Gitarre) und dem Gitarristen und Produzenten Jorge Fernando zu verdanken. Sie schaffen eine kristallklare, schnörkellose Begleitung zu der ebenso klaren, typischen Fado-Stimme von Mariza. Die CD wird besser, je länger sie dauert. Da weicht die traditionelle Fado-Begleitung etwa einem Solo-Klavier oder die Stimme wird einer Perkussion gegenübergestellt. Jorge Fernando beweist zudem bei Titeln wie „Chuva“ und dem wunderschönen „Terra d'água“, dass er Ohrwürmer komponieren kann. Ein weiterer Beweis, dass in Portugal viele musikalische Talente auf ihre Entdeckung warten.

Der Titel „Chuva“ findet sich auch auf Jorge Fernandos Album „Velho Fado“. Fado im traditionellen Stil hat der ehemalige Gitarrist von Amália Rodrigues allerdings kaum eingespielt. Aus „Chuva“, bei Mariza eindeutig ein Fado, wird bei Fernando ein Chanson. Stücke wie „La chanson des vieux amants“ von Jacques Brel und die angenehm weiche Stimme ohne das Pathos gewisser Fado-Sänger, tragen das ihrige bei, dass „Velho Fado“ nur teilweise eine Fado-CD ist. Schade nur, dass die Melodieführung manchmal etwas gefällig geraten ist und gewisse Lieder mit einem Zuckerguss aus Streichern geglättet werden. Da hat er bei Mariza einen weit besseren Job getan.

Martin Steiner


LILLY OF THE WEST
Dear & Kind
(MusicAutor)
12 Tracks, 42.45

Benannt wurde Bulgariens Bluegrass Band Nr. 1 nach ihrer hübschen Frontfrau Lilly Drumeva und ihre dritte CD ist für Freunde dieses musikalischen Genres schlicht ein Muss. Lillys engelsgleiche Stimme bezaubert, Tsetso Vlaykov singt souverän wie ein alter Texaner und zusammen mit ihren beiden Mitmusikanten geben sie der Musik genau die lockere und entspannt-leichte Note, die die Fans so mögen. Mit Standardinstrumentarium und einem generell ausgewogenen traditionellem und zeitgenössischem (z.B. Gordon Lightfoot) Repertoire zeigen Lilly Of The West jedoch, dass sie ihren zahllosen Konkurrenten eines voraus haben, ihre eigene Volksmusik nämlich! Zwei bulgarische Titel sind mehr als nur eine willkommene Abwechslung, wobei das a-capella-Stück „Sto Mi E Milo I Drago“ schlicht herzerweichend ist. Davon hätte ich gerne mehr, ohne das die Bluegrassmusik ganz verdrängt werden sollte. Im Frühjahr übrigens sind Lilly und ihre Mannen mal wieder in Deutschland unterwegs. Einen Konzertbesuch werden weder Freunde des Bluegrass noch der bulgarischen Musik bereuen.

Mike Kamp


FANFARE CIOCARLIA
Iag Bari: The Gypsy Horns From The Mountains Beyond.
(Piranha CD-PIR1577)
18 Tracks, 54.02; plus 1 Video, 2:41; mit engl. Infos

SANDY LOPICIC ORKESTAR
Border Confusion
(Network/Zweitausendeins 38409)
14 Tracks, 69:55; mit Infos dt., franz. u. engl.

Beide Ensembles sind bereits im Folker gewürdigt worden (s. 6/99 bzw. 6/01) und weisen auffällige Parallelen auf: z. B. im massiven Einsatz von (Blech-) Bläsern und vor allem in der ungebremsten Spielfreude. Und beide schöpfen aus dem breitgefächerten musikalischen Fundus ihrer Heimat(länder). Fanfare Ciocarlia hat sich über die Grenzen Rumäniens hinaus längst als exquisite Roma-Kapelle einen Namen machen können und legt nunmehr ihr drittes Album vor. Der Drive, der den meisten Tanzliedern von den 12 Musikern (nebst Gästen wie z. B. Trompeter-Legende Costel Vasilescu) verpasst wird, ist atemberaubend. Leidenschaft und Intensität gehen auch bei den Balladen (z. T. gesungen von Sangesstar Dan Armeanca) nicht unter. Im Frühjahr 2002 kommt die Truppe übrigens auf Tournee, um auch ihren Kinofilm „Iag Bari – Brass on Fire“ zu promoten. Ähnlich feurig, aber einige Spuren unberechenbarer und unkonventioneller ist das Multikulti-Orchester um den bosnischen Pianisten und Arrangeur Sandy Lopicic. Ihren Standort hat die 14köpfige Bigband im österreichischen Graz. Ihre Mitglieder rekrutieren sich im Wesentlichen von der dortigen Musikhochschule. Die drei Sängerinnen aus Bosnien, Serbien und dem Kosovo betören mit ihren markanten Stimmen, solo als auch eben dreistimmig, wobei sie selbst Scat-Elemente einfügen. Überhaupt überraschen die Jazz-, Funk- und Rockanleihen in dem stilistischen Potpourri, die allerdings (fast) nie störend wirken. Der Brassband-Charakter wird dank des erweiterten Instrumentariums (Drehleier, Akkordeon, Geige u.a. ) aufgepeppt; insgesamt wirkt das pfiffig arrangierte, übrigens in Bielefeld eingespielte Material meist traditionellen Ursprungs so gar nicht traditionell, sondern sehr zeitgemäß. Wer auf Balkan-Grooves steht und Alternativen zu Brégovic und Kusturica sucht, wird mit beiden Alben seine Freude haben.

Roland Schmitt


STIMMHORN
Inland
(recrec/EFA 051772)
11 Tracks, 57:40

Ist die neue nordische Folklore nicht faszinierend? Die archaischen Klänge, mit denen Bands wie Hedningarna oder Garmarna über uns hereingebrochen sind? Oder die alten russischen Klangkräfte, neu manifestiert in den Farlanders oder dem Moscow Art Trio. Natürlich,

diese alten, gewaltigen, uns fremden Spielweisen können nur aus solcherart Kulturen kommen, deren Mentalität rau und ursprünglich ist. In diesen Reigen fast arkaner Künstler fallen auch Stimmhorn, und sie kommen... aus der Schweiz. 30 Jahre habe ich mühsam meine Vorurteile über Schweizer Musikkultur aufgebaut und nicht einmal die Appenzeller Spaceschöttlis konnten sie vollends zerstören. Stimmhorn jedoch fegt sie hinweg. Das Basler Duo Stimmhorn bohrt sich tief in mein Inneres und sorgt mit Alpenhorn und Obertongesang für Gänsehaut auf meinem Rücken. Stimmhorn sind musikalisch durch und durch Schweizer und ich war regelrecht erschrocken über die Möglichkeiten, die alpenländische Musikinstrumente bergen. „Inland“ ist das dritte Album von Stimmhorn und eine Komposition zu dem gleichnamigen Film. „Soundtrack“ wäre eine völlig verfehlte Bezeichnung für „Inland“, ich würde es „selbstständiger Teil eines Gesamtkunstwerks“ nennen. Es ist eine Zusammenarbeit mit Hun-Huur-Tu geplant, und ich kann mir kaum ein natürlicheres Arrangement vorstellen. Wer eine Ahnung bekommen will, wie kraftvoll Kunst sein kann, Stimmhorns „Inland“ ist die Wahl der Stunde.

Christian Elstrodt


BRUCE MacGREGOR
101 Reasons To Do Nothing
(Macmeanmna SKYECD 17)
15 Tracks, 56:06; mit Infos

Fiddle spielen kann der Mann, ohne Frage! Organisieren aber auch. Das muss man können, wenn man einige der besten Fiddler Schottlands in einer Band zusammenbringen will. Blazin Fiddles ist eine Realität, die wir beim SFF 2001 live erleben durften. Und nun hat deren Gründer Bruce MacGregor seine erste Solo-CD eingespielt und auch da ein beachtliches Begleitaufgebot organisiert. Jonnie Hardie (Gitarre, Fiddle) von den Old Blind Dogs, Chaz Stewart, Gitarrist der Donnie Munro Band, Label-Chef Arthur Cormack oder Akkordeon-Ass Phil Cunningham dürften als Beispiele genügen. Aber er kann auch arrangieren, der Bruce. Das macht er bei den Instrumental-Tracks, die größtenteils entweder von ihm oder seinem verstorbenen Fiddle-Tutor Donald Riddell stammen, eindrucksvoll klar. Meist klingt es wie Musik aus den Highlands, und das ist gut so. Aber er versteht es auch, den Charme eines Pariser Straßencafés oder die schweißtreibende Atmosphäre eines Cajun-Schuppen in Louisiana nachzuempfinden. Ein starkes Solo-Debut eines Musikers, von dem man noch einiges hören wird.

Mike Kamp


PÄKKOS GUSTAF
Päkkoslåtar
(Giga GCD 58)
27 Tracks, 61:29; mit Infos schwed./engl.

HJÄRP ERIK
Långt jässbôd
(Giga CD 52)
28 Tracks, 51:16; mit Infos schwed./engl.

ERIKSSON NYGÅRDS TALLROTH
Klacklek
(Giga GCD 53)
19 Tracks, 64:41; mit Infos schwed./engl.

Päkkos Gustaf, ein im wahrsten Sinne des Wortes alter Schwede (* 1916) und weit über die Grenzen seiner Heimatprovinz Dalarna bekannter Spielmann, hat 1998, zwei Jahre vor seinem Tod, die auf dieser CD vertretenen Aufnahmen eingespielt. Die meisten Stücke stammen aus dem Repertoire seines großen Vorbildes und Großonkels, Päckos Ole (1869-1952), den er jedoch nicht einfach nachahmt. Das Beiheft berichtet, dass Päkkos Gustaf (NB: die unterschiedliche Schreibweise Päkkos/Päckos ist amtlich, den Grund verrät das Beiheft leider nicht) Mitte der 40er Jahre wegen eines hartnäckigen Lungenleidens lange bettlägerig war und in dieser Zeit seinen eigenständigen Stil entwickelte, der ihm danach viele Preise einbrachte und ihn zum Vorbild für die nachwachsender geigende Generation machte. Zwei junge Geiger- Jonas Holmén und Ola Bäckström aus Stockholm – begleiten den Meister auf dieser CD, die durchaus Live-Charakter hat, Gustaf hustet, summt mit, räuspert sich die ganze Zeit.

Kollege und dalarnischer Landsmann Hjärp Erik (* 1928, und damit auch kein junger Spund mehr) spielt, untypisch für sein Herkunftsland, Akkordeon und entpuppt sich, auch wenn die Polskas auf der CD ein knappes Übergewicht haben, als der wahre Walzerkönig. Was kein Wunder ist, denn sein großes Vorbild war der legendäre Calle Jularbo. Doch während Jularbo vor allem gefühlvoll und temperamentvoll spielen wollte, legt sein Meisterschüler mehr wert auf feinziselierte Ausformung der Melodien – beiden gemeinsam jedoch ist die Maxime: Gefühl ist wichtiger als Technik.

Die Geigerin Sophia Eriksson, der Geiger Anders Nygårds und der Mandola-Spieler David Tallroth dagegen gehören zur jungen Generation der schwedischen Spielleute, und einzig Herr Nygårds stammt aus Dalarna (Eriksson aus dem Lagerlöfschen Värmland und Tallroth gar aus Stockholm), sie spielen zusammen und auch solo, schöpfen aus dem Repertoire alter Spielleute (so berufen sie sich auf den großen Lejsme Per, der in Värmland und Dalarna gleichermaßen zu Hause war), auf den Norweger Ånon Egeland, liefern ein überaus ansprechendes Stilgemisch und hören sich bisweilen gar bretonisch an (mehrere Stücke klingen wie Variationen zum „Son ar chistr“).

Gabriele Haefs


ZAR
Stringeling
(Piaper Musik Piaper 003)
14 Tracks, 48:50; mit Infos dän./engl.

Drei Dänen, die seit 1996 zusammen spielen, legen endlich ihre erste CD vor, und das warten hat sich gelohnt. Alle drei studieren Musik und bezeichnen sich als Traditionalisten in dem Sinne, dass sie ihre Musik nicht zu irgendeinem Zeitpunkt festlegen, sondern aus dem Vergangenen schöpfen und zugleich offen sind für neue Einflüsse. Ergebnis: eine Instrumental-CD, die zum Besten gehört, was Dänemark im Jahr 2001 auf den Markt gebracht hat. Ungefähr die Hälfte der Stücke stammt aus dem Repertoire längst verstorbener Spielleute wie des legendären Ole Kjær (1807-41), auch bekannt als „Paganini Westjütlands“, den Rest haben die Bandmitglieder selber komponiert, Christopher Davis Maack entpuppt sich dabei als Spezialist für den Schottischen, Steffan Søgaard Sørensen neigt eher dem Walzer zu. Wir finden Vierer, Dreier und Polkas sowie einen Rheinländer von der märchenhaft schönen Insel Læsø, Gitarrist Rasmus Seeberg orientiert seinen Stil an Dick Gaughan und manchmal klingt das Ganze wie Nordsee meets Django Reinhardt – großer Hörgenuss, wir wollen MEHR!

Gabriele Haefs


CROFT NO. 5
Attention All Personnel
(Foot Stompin' Records CDFSR1709)
13 Tracks, 67:32

Fiddle, Whistle und Akkordeon sind die Melodieinstrumente des jungen schottischen Sextetts. Die damit intonierten, meist selbst geschriebenen Instrumentals klingen eigentlich ziemlich schottisch. Nichts übermäßig Aufregendes also, wäre da nicht Bass, Drums, Gitarre und diverse technische Gerätschaften neueren Datums. Abgesehen davon, dass die momentane Fixiertheit vieler schottischer Bands auf ihre Instrumente nicht gesund ist, erhält die Musik von Croft No. 5 durch dieses Instrumentarium eine durchaus erfreulich zeitgemäße Form. So klingt, funkt und groovt das, wenn die Folkmusik mit der Dance-, Rave- etc.-Szene eine Verbindung eingeht. Okay, sie klingen manchmal ein wenig wie die grossen Kollegen von Shooglenifty, aber Croft No. 5 sind sehr, sehr jung und eigenständige Ansätze sind ohne Zweifel vorhanden. Ich prognostiziere, die Jungs werden beim nächsten, spätestens übernächsten Album nur noch wie Croft No. 5 klingen: ausgelassen, aussergewöhnlich und aufregend!

Mike Kamp


LA MORESCA
Senza cchiù terra
(Dunya Felmay/Gebhardt Musikvertrieb fy8039)
12 Tracks, 44:36; mit neapolitan. Texten/engl. Infos

La Moresca sind eine jener Folk-Gruppen, die Konzertveranstaltern kalte Schauer über den Rücken jagen, bevor sie überhaupt einen Ton gespielt haben. Bis zu zwölf Mitglieder umfasst das Ensemble. Das geht in die Kosten – bringt aber auch einen vollen, dichten Sound. „Senza cchiú terra“ ist den Gastarbeitern gewidmet, die auf der Suche nach Arbeit und einem sicheren Ort weder in Italien noch sonst wo sehr gastlich aufgenommen werden. La Moresca wären aber keine neapolitanische Gruppe, sängen sie nicht auch Geschichten von der Liebe – der unerwiderten und der verflossenen natürlich – und das alles auf Neapolitanisch. Zu einer neapolitanischen Gruppe gehören selbstverständlich auch die Tammorra-Trommeln, Tamburine, verschiedenste Flöten, Gitarren, ein Akkordeon, eine Geige, geschulte Frauen- und Männerstimmen. Das alles tönt entfernt nach den späten Musicanova von Eugenio Bennato, dem Bruder von Eduardo – aber das ist wieder eine andere Geschichte. Und wenn's live wohl hier oben im Norden nichts wird mit La Moresca, die CD gibt einen schönen Einblick, wie's denn sein könnte.

Martin Steiner


JOHN KIRKPATRICK
Mazurka Berserker
(Fledg'ling Records FLED 3030)
14 Tracks, 62:36; mit Infos

Ein Berserker ist er gewiss nicht, der englische Meister der Zieh- und Drück-Instrumente. Ein wunderschönes Soloalbum hat er eingespielt. Teilweise gab's Hilfe von alten (z.B. Martin Carthy, Richard Thompson) und neuen Freunden (z.B. Nancy Kerr & James Fagan), vieles auf der CD ist traditionell, vieles stammt aus Kirkpatricks Feder. Die Instrumentalseite der CD ist erwartungsgemäß überdurchschnittlich, der Mann ist schließlich seit Jahrzehnten eine Institution auf der englischen Folkszene und der Inbegriff für musikalische Zuverlässigkeit. Auf der Gesangsseite ist eine erfreuliche Zunahme der Lieder zu vermerken. Immerhin die Hälfte der CD dokumentiert, dass Kirkpatrick nicht nur mehr Spaß an seiner Stimme hat, das gesangliche Selbstbewusstsein der 53jährigen ist hörbar. Persönliche Favoriten sind bei einer solch ausgeglichenen CD schwer zu benennen, aber die Neuaufnahme seines immerhin schon ca. 30 Jahre alten Songs „Dust To Dust“ gefällt mir besonders gut.

Mike Kamp


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