backRezensionen Deutschland


DISSIDENTEN
2001: A Worldbeat Odyssey
(Exil 0550-2/Indigo)
10 Tracks, 57:11

War ja klar, dass etwas Besonderes dabei rauskommt, wenn die Dissidenten sich selber liften lassen. Die in 20 Berufsjahren angesammelten Songs klingen schon unbearbeitet keineswegs wie alte Zöpfe, die zwischen müden Ohren hängen. Trotzdem ein kluger Schachzug, den Sprung ins 3. Jahrtausend nicht selber zu unternehmen, sondern sich gleichsam hineinkatapultieren zu lassen. Die Bearbeitungen durch DJs wie Badmarsh, Lemongrass oder Shantel mischen die Songs im besten Wortsinne auf, völlig unterschiedliche Tracks sind dabei entstanden, welche die derzeit interessantesten Sounds tief ausloten. Als Plattentitel wäre auch Space Odyssey eine gute Wahl gewesen. Genau das Richtige, um sich in einer lauschigen, flauschigen Cocktail-Lounge (mit Tanzfläche!) und in sehr, sehr netter Begleitung ganz, ganz langsam die Kante zu geben.

Luigi Lauer


HANNES WADER
Wünsche
(Pläne 88863)
12 Tracks, 54:43; mit Texten u. Infos

Mehr als sechs Jahre dauerte es, bis der „Grandseigneur“ der deutschen Liedermacher eine neue CD (offiziell seine 26.) mit überwiegend eigenen Stücken veröffentlichte. Es tut gut, Hannes Wader wieder in Bestform zu erleben. Er ist äußerst gut bei Stimme, hat starke Songs und exzellente Begleitmusiker. Dazu zählen Steve Baker (Mundharmonika), Chris Jones (Gitarren) und Eberhard Weber (Kontrabass), um nur die bekanntesten zu nennen. Sie sorgen für einen abwechslungsreichen Akustiksound und geschmackvolle Arrangements.

Es gibt nicht viele Liedermacher, die in der Lage sind, gelungene Übertragungen fremdsprachiger Songtexte ins Deutsche zu schreiben. Wader war immer einer, der genau das ausgezeichnet beherrscht. Und so finden sich auch auf dieser CD Übertragungen wie die des Songs „Solo le pido a dios“ aus der Feder des populären argentinischen Songwriters Leon Gieco. Auch Phil Coulters „The Town I loved so well“ war Wader eine Übertragung wert.

Eine weitere Referenz erweist er einem deutschen Kollegen, der vor vielen Jahren auf seiner ersten LP den Wader-Song „Begegnung“ aufgenommen hat. Die Rede ist von Reinhard Mey, dessen Lied „Ich bring Dich durch die Nacht“ auf der vorliegenden CD zu hören ist.

Und noch eine schöne Geste: Wader beendet sein neues Album mit einer Hommage an Gary Bolstadt und singt „Indian Summer“ im Original, jenes Lied, dessen deutschen Übertragung „Heute hier, morgen dort“ zu einem Markenzeichen Waders und einem seiner erfolgreichsten Lieder wurde.

In seinen eigenen Liedern hat Wader nichts von seinem politischen Biss verloren (wie unter anderem sein Lied über „Victor Jara“ beweist) und nichts von seinem sarkastischen Humor, der besonders in seiner Abrechnung mit der deutschen Identität („Vaters Land“) deutlich wird. Nur eine Wader-Spezialität findet sich auf der neuen Scheibe nicht: Einen Talking Blues sucht man vergebens.

Ulrich Joosten


SLIDE KICK
Big Sister
(Kilger&Sax 701)
17 Tracks, 58:21

Im Jahre 1999 formierten sich Gabriele R. Weber und Thomas Busse alias Slidin' Tom B. spontan zu einem Country, Folk & Blues Duo. Die Union fand auf slowakischem Boden beim Dobro-Festival in Trnava statt, wo Busse seit Jahren geladener Gast ist. Die Stärken Frau Webers liegen in ihrem expressiven, pulsierenden Gesang, wobei sie mitunter durchaus zu balladesken Intonierungen voller inbrünstigem Gefühl tendiert. Immerhin schreibt sie nach eigenen Auskünften seit 1973 eigene Werke, war 1979 Preisträgerin eines Liedermacher-Wettbewerbs und wurde von der GEMA München 1981 mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Nach neunjähriger Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Bluegrass-Matadoren James Skurdal und einer mehrmonatigen Tour durch die Staaten, Ende der 80er spielte sie vorwiegend in verschiedenen Formationen im Köln-Bonner Raum. Und nun das vielversprechende Debut mit „Slidin' Tom B.“ mit seinen Resonator-Gitarren, die er auch mal im „hawaiianischen“ Stil über die Knie legt. Schade, dass nicht das Pressetextmotiv als Cover verwendet wurde, sondern Gabriele Weber zum Filzstift griff. So gut sie und ihr Partner singen und spielen: Zeichnen kann sie nicht.

Annie Sauerwein


SCHMELZTIEGEL
Jeedeen na sein Möög!
(Verlag der Spielleute CD9908)
14 Tracks, 53:22; mit Texten u. Infos

Wenn es eine Band schafft, mit deutscher Folkmusik ohne große Besetzungswechsel 27 Jahre lang Musik zu machen, dann ist das schon eine stolze Leistung. Acht Jahre nach ihrer letzten CD „Canaal“ gibt es jetzt ein neues Album von der wohl dienstältesten deutschen Folkband. Dafür hat sich die Gruppe einer Frischzellenkur unterzogen, den Bassisten gewechselt (der neue Mann für die tiefen Töne heißt Volker Linde) und mit dem neu hinzu gekommenen Drummer Markus Zell die Rhythm-Section komplettiert. Beide Musiker sind Profis, und besonders die Instrumentalstücke profitieren davon. Vor allem Mando- und Leiernspezi Reinhard Spielvogel kann vor dem neuen Lineup sein Können voll ausspielen. Ob galizische Klänge, französisch beeinflusste Kompositionen oder das für Schmelztiegel obligate skandinavische Tanzmedley – es sind vor allem die Instrumentals, mit denen die Gruppe diesmal besonders glänzt (und teilweise wie eine französische Folkrock-Band klingt). Dem plattdeutschen Liedermacher Heribert Friese sind wieder einige schöne Songs gelungen wie z.B. das lakonische Lied „Nützjonix“, die Ballade über „Longmourn“ oder den Abgesang auf die „Lütten Saurier“. Einen humorvollen „Klassiker“ gibt es auch, die plattdeutsche Version des alten CCR-Hits „Down on the Corner“.

Für Fans der Gruppe ist das neue Album allemal eine Anschaffung wert, und wer deutsche Folkmusik mag, sollte sich die CD ruhig mal gönnen. Und was gibt's zum 30ten?

Ulrich Joosten


KLAUS HOFFMANN
Afghana – eine literarische Reise
(Stille Musik/Indigo)
Do-CD, 27 Tracks, 132:37; live, mit Infos

Lange bevor Sowjets und die Talibanditen das arme Afghanistan beglückten, ertrug das geschundene Land in den Siebzigern eine Invasion westlicher Sinnsucher, Hippies und Kiffer. Einer von diesen traurigen Glücksrittern war ein junger Westberliner namens Klaus Hoffmann. Aus den Erlebnissen seiner zwei Reisen an den Hindukusch hat er einen Roman gemacht, in dem sich der Protagonist Paul Lachmann, noch grün hinter den Ohren, im VW Käfer mit Siggi auf den langen Weg macht. Für seine Lesereise im hier und heute hat Klaus Hoffmann einige Abschnitte des Buches ausgewählt und mit Liederintermezzos seiner letzten CD „Melancholia“ versetzt, woraus diese Literatur/Musik-Doppel-CD entstanden ist. Wer Erhellendes zum aktuellen Konflikt erwartet, wird enttäuscht, es ist eher der naive Blick auf ein fremdes Land und die Beschäftigung mit dem eigenen Befinden vorherrschend. Aber ums eigene Seelenwohl halber wurde die beschwerliche Reise ja auch unternommen. Nicht andere Länder, Sitten, Gebräuche und Kulturen waren der Gegenstand des Interesses, nein, es war eigentlich eine Reise ins eigene Innenleben. Nur das war, wie sollte es auch anders sein, natürlich banal. So banal sind auch die Geschichten, die Paul Lachmann zuhause, in der Lehre und auf Reisen erlebt. Wären sie interessant, wenn sie nicht von Klaus Hoffmann wären und von ihm selbst gelesen würden? Ich fürchte nein. So lauscht man in angenehmer Erwartung seiner Lesung und seinen (schönen) Liedern und war es schon keine Offenbarung, so war es doch ein netter Abend.

Rainer Katlewski


DIE SCHNITTER
Fegefeuer
(Costbar)
13 Tracks, 45:13

Gemäß der Devise, jedes Jahr ein Album, legen die Schnitter fast pünktlich mit „Fegefeuer“ Nummer vier vor. Das bewegt sich klar in der Tradition der Vorgänger – einfacher klarer und direkter Folk-Punk, der ein erhebliches Potential an Wut birgt – beinahe noch mehr als man es von den Kasselern bisher kennt. So knallen bereits die ersten drei Stücke des Albums „Mein Gefängnis“, einer Vertonung des gleichnamigen Gedichts von Erich Mühsam, „Widerstand“ und „Die Gedanken sind frei“ lautstark rein. Wer sich bisher von den Live-Aktivitäten dieser Band noch nicht überzeugen konnte, bekommt mit dieser CD, gleichwohl es ein Studioalbum ist, beinahe einen authentischen Eindruck. Zum Aufatmen kommt man eigentlich kaum und „Die Barden der Endzeit“, wie die Schnitter einst betitelt wurden, entlassen ihre Zuhörer nicht in die Trivialitäten leichter Textkost – im Gegenteil. Zwar birgt „Fegefeuer“ auch Spaßkomponenten, aber der bittere Geschmack der Texte überwiegt dennoch. Politik und Musik hat diese Band nie zu trennen versucht, selbst ein „Schlaflied“ der Schnitter sorgt eher für schlaflose Nächte. Einzig „Abschied“, der Nachruf der Schnitter auf ihren Mitbegründer und Bassisten Peter Kemper, der im Frühjahr 2000 starb, ist ein Song der aus dem üblichen Textrahmen fällt. Die Schnitter sind im Laufe der Jahre keinen Deut leiser, sondern eher härter und damit weniger folkietauglicher geworden.

Claudia Frenzel


VOLKER GALLÉ & FRIENDS
Sprachétrangerie
(Are Musik Verlags GmbH)
22 Tracks, 70,40; mit Texten u. Infos

„Quer dorsch die Lamang“ unterhält nicht nur ein Publikum, spekuliert nicht auf ‚spontanes' Beifallklatschen, sondern rezitiert, gemessen an höchsten eigenen Ansprüchen, was man abgelauscht, selbst in Mundart gemacht und sich mit ungezügelter Phantasie ausgedacht hat. Alles wird unaufdringlich erklärt. Der Zuhörer vergisst die Umwelt und kann eigentlich nur offenen Mundes lauschen – und mitsummen. Dialekt ist hier Tuchfühlung – und das über ein Medium, die CD! Das Textheft erleichtert den wenig Sprachgeübten das Verstehen des Rheinhessischen. Es wird eine Begegnung mit Heine, Zuckmayer und eben Volker Gallé, keinem Oberlehrer, der belehrt, einem Journalisten, der gleichsam aus dem Stegreif und ohne Schwulst vermittelt, mitgenießen lässt. Die Wirkung liegt auch in der beeindruckenden gewaltigen Sprache. Gallé erzählt – auch humorvoll -, übertreibt nicht und nichts, löst seine Umgebung in – wie er es nennt: – „sozialkünstlerischen Projekten begrifflich und handwerklich“ auf, hat bereichernd zur Gitarre verschiedene Instrumente geholt, Saxophon und Flöte und ein Schlagzeug, das nicht hämmert und nichts zerklopft, sondern eine Melodie begleitet. Nur einmal dominieren die Stöcke, wenn er in Ostasien eine Anleihe macht, so wie viele Stücke multikulturell verarbeitet sind. Die stets passenden Melodien sind teils aus verschiedenen Bereichen geholt und der Aha-Affekt „Das kenn' ich doch“ ist erwünscht. Kein gewinn-, sondern ein kulturmaximiertes Programm.

Stephan Rögner


BLUES COMPANY
Two Nights Only
(inakustik INAK 9066 CD)
13 Tracks, 66:15; mit Infos

Im Januar diesen Jahres präsentierten die Blues Company zusammen mit den Fabulous BC Horns an zwei Tagen ihr Live-Repertoire für vorliegende Scheibe. Kraftvoller Bluesrock und swingender Rhythm' & Blues wechseln sich mit einfühlsamen Balladen und souligen Musikstücken ab. Auch Cajun-Einflüsse sind zu vernehmen. Eine abwechslungsreiche CD von Frontman Todor „Toscho“ Todorovic und seinen langjährigen Mitstreitern. Seit über fünfundzwanzig Jahren ist diese Truppe bereits auf unserem Globus „on the road“ und lebt für ihr Publikum den Blues mit all seine Facetten nach. Der Gitarrist und Sänger Toscho spielt neben traditionellem Stoff auch eigene Kompositionen, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Der Gesamtsound ist ausgewogen und die Band versteht es, eine harmonische Stimmung zu erzeugen. Das Ganze ist dem jüngst verstorbenen Produzenten Mick Franke gewidmet.

Annie Sauerwein


DIVERSE
Kurt Weill – Die Musik zum Film
(Peregrina Music PM50292)
12 Tracks, 46:66

HENNING SCHMIEDT
Bilder / Assoziationen zu Kurt Weill
(Peregrina Music PM50282)
25 Tracks, 42:68

Weill at its best mit den üblichen Verdächtigen: Ein Reigen von Stars interpretiert die göttlichen Chansons des Dreigroschenkomponisten, dem die Exilgefährten naserümpfend vorhielten, er passe sich dem US-Showbusiness zu rückhaltlos an. Kraftvoll-pathetisch intoniert Milva den Matrosensong, Udo Lindenberg knödelt den Messie Macho, pardon Mackie Messer, Blixa Bargeld murmelt selbstvergessen den „Bilbao Song“ zu historisierend-verkratztem Hawaiigitarrensound, Kathrin Angerer, eine echte Entdeckung, schluchzt rotzgörig ihre Klage um den angehimmelten „Surabaya Johnny“. Erfreulich klassisch-sparsam gibt Stefanie Wüst die 20er-Jahre-Reklameschnulze der hauptstädtischen Stromwerke („Berlin im Licht“). Französisches, Englisches und ein „Kiddusch“ runden die Produktion ab, die aus der Babelsberger Filmhochschule kommt: Dokumentarist Sven Düfer hat mit Weill-Kenner Jürgen Schebera und einem Drehteam die Lebensstationen des Meisters von Dessau bis zum Grab aufgesucht. Klaviervirtuose Henning Schmiedt, u.a. mit „Broadway“ und einem unverächtlichen Intro vertreten, liefert mit einer zweiten Solopiano-CD noch einiges an impressionistischer Kurzware hinterher: die eigentliche, eher illustrative Filmuntermalung, die naturgemäß entbehrt, was sie begleitend verschnörkeln soll: Bilder nämlich. Die gehaltfreien Beipackzettel beider CDs sind nur mit Elektronenmikroskop zu entziffern.

Nikolaus Gatter


MERLONS LICHTER
Die wahre Mutter Gottes
(Lawine / Blanko Musik / Virgin)
14 Tracks, 62:43; mit Texten

Zugegeben, dieser Band fehlt etwas – nämlich Front- und Powerfrau Ani. Und über ihren Weggang tröstet auch die weibliche Stimme von Ela Virginia Heilig (wie passend!) bei „Wir II“ nicht hinweg. „Die wahre Mutter Gottes“ ist das erste Album der Erlanger als Quartett und man braucht einige Zeit, um sich dem Silberling zu nähern. Bekannt geworden sind die Merlons mit ihrem neuzeitlichen kraftvollem Mittelalterrock mit alten Texten, Mystik und Trance- und Ambientanleihen. Was am neuen Album und de facto auch der neuen Band auffällt ist, dass sie sich zunehmend von den Mittelalterklängen gelöst haben und wesentlich mehr mit Ethnoelementen und sphärischen Klängen experimentieren (wie besonders bei „Eiszeit“ und, wen wundert es, bei „Fliegenpilze“). Bereits der Opener „Maifeuer“ verknüpft rockige Gitarren mit verzerrter Maultrommel, Drehleier sowie Djembeklängen und wirkt beinahe wie das Ritual eines Schamanen, ein Gefühl das uns das gesamte Album über immer wieder einholt. Doch schon „Yoik“ erinnert wieder stark an die „alten“ Merlons – kraftvoller Folkrock trifft auf Tribalklänge und wird vom Kopf in die Beine geleitet. Mitunter scheint es so, als liebäugeln die Erlanger mit dem Wechsel ins Rocklager, so wie bereits ihre Kollegen Subway to Sally oder In Extremo. „Was ist“ und „Die Härte“ sind schon richtige Progressiv-Rock-Nummern. Zum Ende des Albums hat man sich an den neuen Klang der Merlons gewöhnt, ist nicht mehr untröstlich über die fehlende weibliche Stimmgewalt, aber immer noch unschlüssig darüber, welchen Weg diese Band künftig gehen wird.

Claudia Frenzel


HELMUT EISEL, RICHARD EBERSBACH UND FREUNDE
Eisel bläst Brandwein
(Westpark 87082)
17 Tracks, 65:21; mit Info
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Helmut Eisel ist eigentlich Diplommathematiker, seit 1991 aber ganz im Dienste der Musik tätig. Dagegen ist Richard Ebersbach zwar immer noch hauptberuflich Richter, zählt jedoch als (Freizeit-) Pianist zu den Gründervätern der saarländischen Jazzszene. Beide haben nun ein Album herausgebracht, das dem im galizischen Przymysl geborenen Naftule Brandwein (1884-1963) gewidmet ist. Naftules Vater spielte schon die Geige und fünf von seinen insgesamt 13 Kindern wurden Musiker. Brandwein kam 1908 in New York an, zur Blütezeit des amerikanischen jiddischen Theaters. Schnell etablierte er sich in der Klezmerszene des frühen 20. Jahrhunderts und nannte sich bald „King of the Jewish Music“. 1923 verließ er das Abe Schwartz Orchestre und wurde selbst Bandleader.

Eisel findet speziell für diese Aufnahmen mit etwas Glück eine C-Klarinette aus den 20-er Jahren – für seriöse Klarinettisten wegen ihrer Intonation nicht sonderlich geeignet. Die Transkribierung alter Aufnahmen wird für Eisel insofern problematisch, als Brandwein seine Melodien nie gleich spielte, etwa Phrasierungen ändert, aus Triolen z.B. Achteln machte. Brandwein war auch nie ein Musiker fürs Studio, seine Schallplatten gelten als Raritäten, wenngleich viele seiner Lieder heute zum Standard des sog. Klezmer-Revival gehören. Nicht zu Unrecht „versucht“ Eisel deshalb, „einige Wege aufzuzeigen, wie man sich der Musik Brandweins nähern kann“ (Vertriebsinfo).

Matti Goldschmidt


WDR BIG BAND KÖLN, THE KARNATAKA COLLEGE OF PERCUSSION, R.A. RAMAMANI, CHARLIE MARIANO
Sketches Of Bangalore
(permission music productions pmp/Sunny Moon 103)
7 Tracks, 66:57; mit Infos

Eins vorweg: „Sketches Of Bangalore“ hat soviel mit der Musik des indischen Subkontinents zu tun, wie Miles Davis' legendäre 1959er-LP „Sketches Of Spain“ mit der iberischen Halbinsel. Das müssen Jazz-Platten – und um eine solche handelt es sich hier – aber auch gar nicht, denn weder ein Jazzer noch ein in Raga & Tala geschulter Inder können aus ihrer musikalischen Haut. Aber man kann sich treffen, respektieren, gemeinsam musizieren. Trotz guter Planung kann ein solches Projekt natürlich auch fürchterlich danebengehen, es kann aber auch – wie im vorliegenden Fall – in einem großartigen Album münden.

Die Vorgaben waren also klar: ein Bigband-Album sollte es werden, hälftig von Indern und Jazzern komponiert (plus ein „Traditional“), arrangiert von Bigband-Chef Mike Herting und gemeinsam eingespielt unter der Maßgabe, dass sich keiner verbiegen muss. Das funktioniert auf wundersame Weise: College-Chefin Ramamani singt ihre Parts mit allen vokalen Arabesken, die die südindische Musik aufweist, die Perkussionisten klopfen mal vierviertel mal hochkomplex, die Bigband pulst und Mariano setzt gewohnt kompetente Altsax-Akzente ins multimusikalische Treiben. Besonders gelungen: das zehnminütige „Pulse“, ein von College-Mitglied Raghavendra komponiertes Rockjazz-Stückchen mit rasanten Soli des Komponisten auf seiner „Veena“-Langhalslaute.

Walter Bast


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