backRezensionen Nordmerika


LEAHY
Lakefield
(Virgin 72438 45716 2 7)
12 Tracks, 53:49; mit Texten u. Infos

Neun Geschwister (fünf Damen, vier Herren) der Familie Leahy aus Lakefield, Ontario, Kanada hoffen, gegen Ende des Jahres 2002 auch auf einige Konzerte nach Deutschland zu kommen. Und was erwartet das ahnungslose Publikum? Schublade auf: „Riverdance meets Shania Twain“ oder „Die kanadischen Corrs“! Schublade zu. Die Hälfte der CD besteht aus Instrumentals. Da dominiert die rasante Fiddle (die gleich vier Leahys spielen), da wird gesteppt, dass sich die Bretter biegen und das klingt ziemlich folk-rockig. Die Songs jedoch, immer von den Schwestern gesungen, sind Pop pur; nett und glatt, knackig oder balladesk, häufig mit Hitpotential. Der Twain-Vergleich ist hier so abwegig nicht, standen Leahy doch 175mal im Vorprogramm der berühmten kanadischen Kollegin. Und wie das bei Popstückchen manchmal so ist, kriegt man einige Melodien unabhängig von der Qualität nur noch schwer aus dem Kopf. Ich habe mein größtes Problem bei dem langsamen „Borrowed Time“. Gitarre, Bass, Drums, Keyboards und eben jene Fiddles sorgen dafür, dass die Familie Leahy (das jüngste Mitglied ist 21 Jahre) auch bei uns Erfolge feiern werden, genauso wie Riverdance, Shania Twain und die Corrs.

Mike Kamp


PONTY BONE
Fantasize
(Loudhouse Records LHR 2002)
12 Tracks, 47:21

RC BANKS
Conway's Corner
(Loudhouse Records LHR 2001)
13 Tracks, 48:30

In Austin/Texas sitzt ein ebenso kleines wie feines Label, das uns in regelmäßigen Abständen mit bodenständiger Texas-Musik beglückt und aus dessen Programm hier zwei höchst hörenswerte Beispiele vorgestellt werden sollen:

Ponty Bone tut auf seinem vierten Album „Fantasize“ das was er am besten kann, er entlockt seinem Akkordeon jene unverwechselbaren Riffs , die so charakteristisch an der Grenze zwischen Tex-Mex, Zydeco und Country-Blues entlangrutschen, dass einem das Herz aufgeht. Ausgeschlafen und routiniert assistiert ihm seine Band „The Squeezetones“. Mal spielen sie funky auf den Punkt und dann wieder hinreißend schräg und immer legen sie geschmackssicher und stilecht das Fundament für Pontys Ausflüge auf seiner Quetschkommode.

„Conway's Coner“, das neue Werk von RC Banks klingt wesentlich elektrischer, mehr nach Texas-Blues. Schwere Grooves schaufeln ordentlich Druck in die vorzüglichen Songs des Mannes aus Lubbock/Texas, dessen Stücke schon von Linda Ronstadt, Joe Ely oder Ronnie Lane gecovert wurden. RCs Stimme näselt soulig neben verzerrten Harmonicas, Off-Beat Gitarren und den herrlichen Background Stimmen von Dee Lewellen und Bevis Griffin. Beide CDs sind auf der ganzen Länge richtig toll und es macht einfach Spaß, diesen Texanern beim Musizieren zuzuhören.

Johannes Epremian


MARKUS RILL & THE GUNSLINGERS
Nowhere Begins
(Music Network LMS 9.01383)
13 Tracks; mit Texten

BEAVER NELSON
Little Brother
(Black Dog Records BD-1009)
11 Tracks, 40:54; mit Texten

HUNTER MOORE
Conversations
(Brambus 200145-2)
10 Tracks, 44:45; mit Texten

JIMMY LAFAVE
Texoma
(Bohemiabeat Records 65223-0010-2)
16 Tracks; mit Texten

Seinen hessischen Dialekt hat er abgelegt. Die Power, die er als deutscher Meister im Freistilringen (!!!) hatte, besitzt Markus Rill auch als Musiker. Der gebürtige Frankfurter (Main) ist nach einem einjährigen Studienaufenthalt in Austin der dortigen Musikszene verfallen. „Nowhere Begins“ ist Rills drittes Album. Darauf finden sich Rock´n´Roll-Nummern, erdverbundene Countrymusik sowie Folk und Blues. Und auch die Geschichten, die der Singer/Songwriter erzählt, klingen eher nach der Weite Amerikas als nach Hessen. Es geht dabei um „bucks“ (Dollar), um Frauen und Whiskey („Women & Whiskey“) sowie um das, was uns dieses noch ziemlich frische Jahrhundert bringen wird („New Millennium Blues“). Auch die Begleitmusiker (E-Gitarre, Dobro, Slide-Gitarre, Bass, Geige, Schlagzeug, Perkussion) von 'Deutschlands texanischstem Songwriter' (Glitterhouse) kommen aus deutschen Landen, zumindest den Namen nach zu urteilen.

Kommen wir von dem „Texaner im Geiste“, so der „Rolling Stone“ über Markus Rill, zu einem texanischen Original. Beaver Nelson wuchs in Houston auf. Dylan, Steve Earle, Neil Young und – wie bei Rill – Townes Van Zandt waren erste Einflüsse für den Musiker, der 1991 nach Austin zog. Das Studium an der Universität von Texas dauerte nur ein Semester. Dann hatte die Musikszene der Stadt Beaver Nelson ganz in seinen Bann gezogen. Auf seiner zweiten CD bietet der Texaner Musik mit Bodenhaftung an. Dabei reicht das musikalische Spektrum von Honky-Tonk-Klängen über Blues aus den Sümpfen bis hin zu Balladen und druckvollem Rock´n´Roll. Besonders schön, David Boyle an der Orgel bei „I Like Girls“ – einem Titel, der für sich selbst spricht – und die Grooveline Horns bei „Playing For Keeps“ mit der wunderschönen ersten Textzeile „If You don´t like me/How you gonna love me“ – einem gefühlvollen Song, in dem es um das Zusammenleben der Menschen geht, denn „If you can´t stand beside me/How you gonna stand above me“.

Die Texte auf Hunter Moores neuer, zweiten CD für Brambus Records klingen wie vertonte Tagebucheintragungen. Der amerikanische Singer/Songwriter erzählt einem nicht sichtbaren Gegenüber Geschichten von Selbstgesprächen und Unterhaltungen mit anderen. Es geht dabei um das Trauma Vietnam („The Road To Quang Tri“) ebenso wie über den Alltag der Trucker, der amerikanischen Lkw-Fahrer, und natürlich über das Generalthema Liebe („When You Fall“). Mit sparsamen musikalischen Mitteln gelingt es Moore, sein Publikum als lauschende Gesprächspartner einzubeziehen. Die Anregung für dieses Konzept bekam Hunter Moore von dem amerikanischen Poeten Robert Frost, dessen Gedichte in dem Buch „North Of Boston“ hauptsächlich Gespräche beinhalten.

Mein persönlicher Favorit in diesem Singer/Songwriter-Quartett ist Jimmy LaFave. Der in Texas lebende und in Oklahoma geborene Musiker – passend heißt seine CD „Texoma“ – besitzt nach Ansicht des Musikkritikers und Springsteen-Biografen Dave Marsh „eine der größten Stimmen in Amerika“. Dem kann ich nur zustimmen. LaFave benutzt seine Stimme wie ein Instrument. Mit seinem außergewöhnlichen Stimmumfang ist er in der Lage, den Tonfall in seinen Songs von einem Moment zum anderen zu verändern. Entsprechend dieser stimmlichen Möglichkeiten finden sich auf LaFaves erstem Studioalbum seit vier Jahren gefühlvolle Balladen ebenso wie einige Rock´n´Roll-Nummern. Natürlich fehlen auch politische Aussagen nicht. So in einem seinem großen Vorbild gewidmeten Song: Woody Guthrie. Jimmy LaFave ist ein exzellenter Songwriter. Wohl genau aus diesem Grund kann er auch völlig entspannt Songs bekannter Musikerkollegen einspielen. Auf „Texoma“ findet in dieser Kategorie u.a. Bob Dylans „Emotionally Yours“. Aber auch LaFaves Version des Flowerpower-Hits „San Francisco“ ist ausgesprochen hörenswert. Erwähnenswert sind noch die Burns Sisters, die nicht zum ersten Mal bei einer LaFave-Produktion ihre Stimmkraft als Background-Sängerinnen beisteuern.

Michael Kleff


DIVERSE
World Playground 2
(Exil/Indigo 0540-2)
10 Tracks, 37:45; mit dt. Textbeschreibungen

Dass kindgerecht nicht gleich kitschig, oberflächlich usw. heißt, hat sich ja noch nicht bei den Kaufhäusern herumgesprochen. In diese Lücke stößt bereits zum zweiten Mal die amerikanische Firma Putumayo World Music mit einer weltweiten Zusammenstellung von Liedern, die bereits bewiesen haben, dass sie erfolgreich sein können. Es ist die Zusammenstellung, die diese CD besonders geeignet für Kinder macht, die Lieder (alles Originalaufnahmen!) sind flott, tanzbar, musikalisch nicht abgehoben und doch sehr gut anhörbar. Die Wanderung durch verschiedene Kulturen lässt keine Langeweile aufkommen und gibt den richtigen Hauch Exotik dazu. Bietet sich geradezu an, den Kids unauffällig etwas vom eigenen Weltmusik-Hobby näher zu bringen...

Jürgen Brehme


Rezensionen Südmerika


CATIA WERNECK
Estrela do Sultao
(Pygmalion/Indigo 0794-2)
10 Tracks, 39:59; portug. Texte

Auch wenn die Bossa Nova gar nicht mehr so nova ist, hat sie doch an Faszination nichts eingebüßt. Bei Catia Werneck klingt sie gleichermaßen frisch und vertraut. Erheblichen Anteil daran haben Gitarrist Marcelo Ferreira, den man vermutlich um Zugaben gar nicht erst bitten muss, und Drummer Luis Agosto Cavani, der genau so viel spielt, wie es angemessen erscheint: immer präsent, nie störend. Auch die Gäste an Sopransaxophon und Flügelhorn sind trefflich ausgewählt. Und, nicht zu vergessen, Catia selbst: Schwierige Melodieverläufe oder kritische Intervalle bringt sie mit eleganter Gelassenheit auf den Punkt. Schade nur, dass sie nicht öfter mehr Druck in die Stimme legt (wie stellenweise im Track „Anel Saturno“ oder in „Conselhos“), denn dann klingt ihre Stimme am stärksten.

Luigi Lauer


coco nelegatti y su qinteto arrabal
Tango Argentino
(Löwenzahn/heideck/ Buschfunk HD 20014)
15 Tracks, 53:46

Pablo Ardouin & Tango Efusión
Censurado
(Peregrino/inakustik PM 50272)
15 Tracks, 54:36; Texte dt./span.

Zwei sehr unterschiedliche Tango-Scheiben: Das Quinteto Arrabel, eine internationale Gruppe auserlesener Musiker, kommt verspielt und elegant daher. Tanzvergnügen und Hörgenuss in Einem, dabei eine Portion Witz, alles kommt ohne viel Schmelz daher. Diese CD gehört zu den wunderschönen neuen Aufnahmen des Tango, heutig und old-fashioned zugleich.

Dem Chilenen Pablo Ardouin geht es um des Tangos soziale und politische Rolle, um den Tanz als Lied voller Botschaft. Die meisten ausgewählten Lieder waren „censurado“ – verboten, ihrer derben Sprache oder ihrer aufsässigen Texte wegen. Zwar gibt es die Texte in Deutsch im Booklet, doch an der kraftvollen, zornig bis zärtlichen Stimme kann man sich selbst ohne Textverständnis erfreuen. Pablo Ardouin singt ausdrucksstark und mitreißend, nur schwer konnte ich mich seiner Wirkung entziehen. Die musikalische Begleitung rankt sich dabei auf raffinierte Weise um den Gesang, unmöglich für den Tänzer, faszinierend für den Hörer.

Jürgen Brehme


CELLO TRIO
Tango Brasileiro
(Piranha/EFA 01944)
16 Tracks, 64:58; engl. Info
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Ein Deutscher, der Kammermusik in Brasilien lehrt, und zwei Brasilianer, die Cello in Deutschland lehren so ist das Cello Trio zusammengesetzt. Und spielt Kammermusik, von brasilianischen Komponisten, versteht sich. Das gleitet bei den Stücken von Ernesto Nazareth sanft dahin wie Smetanas Moldau und hat mindestens ebensoviel Tiefe. Gegensätzlich dann die beiden Stücke des berühmtesten der Komponisten, Heitor Villa-Lobos. Die volle Cello-Melancholie in dem einen Stück, eine virtuose Beschleunigungs- und Verzögerungsfahrt in dem anderen hohe Kunst. Zwei übersprungen, und mit Ronaldo Miranda tut sich eine andere Welt auf: dramatische Kreuzungen der Stimmen, assoziationsschwangere Sekundreibungen und verstörende Glissandi Hitchcock hätte es geliebt. Dann der "Kinderzirkus" von Jaime M.. Zenamon, so verspielt und leichtfüßig, dass es eine Freude ist. Das Ganze wird so vorgetragen, dass einfach alles stimmt, niemand drängt sich vor, keiner scheut zurück, und so, nur so kann ein solch erwärmendes Album entstehen.

Luigi Lauer


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