Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder drei CDs, die aus der Masse herausragen:
Bretagne | WIG A WAG | Sarah ha Safar |
Afrika | EJIGAYEHU SHIBABAW | Gigi |
Deutschland | ROGER MATURA | Schokoguss & Vanilleeis |
Sarah ha Safar
(Griffe/Sony GRI 19148-2)
10 Tracks, 44:03, mit bret. Texten und frz. Übersetzungen
Es sagt sich so leicht, dass eine CD "spannend" ist. Doch bei "Sarah ha Safar" der französischen Gruppe Wig a Wag gilt dies für jedes einzelne Stück - und zwar nicht nur im übertragenen Sinne. Keine CD der letzten Zeit transportiert eine so zielgerichtete Unruhe, soviel subtile Energie. Im Vordergrund steht der sensibel-fordernde Gesang Loic Chavignys, hinzu kommen unglaublich ideenreiche Arrangements mit Geige, Akkordeon, Bombarde, Bass und Percussion. Wig a Wag ist die innovativste der vielen innovativen Folk-Bands der Bretagne. Dabei kommt sie eigentlich aus Tours in Zentral-Frankreich und hatte es anfangs nicht leicht in der bretonischen Szene. Doch die Anlaufschwierigkeiten sind vorbei, soviel Talent kann man einfach nicht ignorieren. Und immerhin haben sich Chavigny und Bombardenspieler Cyrille Bonneau in Tours in einem "Exil"-bretonischen Bagad (Bombardenorchester) kennen gelernt. Es war gerade die Zeit, als die bretonischen Fest-Noz-Innovatoren Ar Re Yaouank die Tanzszene aufmischten. "So etwas ähnlich wollen wir auch probieren", sagten sie sich, als sie sich mit vier Freunden zu Wig a Wag zusammenschlossen. Vom Vorbild haben sie vor allem Neugier und Energie übernommen, ansonsten haben sie schon wegen des Gesangs einen eigenständigen Ansatz. Die Gruppe schreibt die meisten Melodien selbst, während Loic Chavigny die überwiegend bretonischen und durchaus poetischen Texte beisteuert. Er liebt es, mit Sprache zu spielen, deshalb finden sich auch Text-Fragmente im Dialekt der Sioux ("son lakota") oder in einer Phantasiesprache ("son el menfi"). Der Titel der CD "Sarah ha safar" klingt zwar arabisch, ist aber auch bretonisch und bedeutet etwa "Säuseln und Radau". Auch hier drückt sich die der Musik eigene Spannung aus, mehr jedenfalls als im Bandnamen Wig a Wag, der das eintönige Rollen eines Karrenrads nachempfindet. Diese CD, die zweite der Gruppe, setzt in jeder Hinsicht Standards: bezüglich Songwriting, Arrangements und Produktion. Eine Steigerung ist kaum noch möglich. Soll sich die Band deshalb auflösen? Nein, das will man natürlich auch nicht. Auf keinen Fall.
Christian Rath
Gigi
(Zomba P2A 2068)
13 Tracks, 63:32
Was für ein Debut! Ejigayehu Shibabaw, zungenfreundlich Gigi, haut gleich mit ihrem ersten Album einen Kracher raus, der seinesgleichen sucht. Aster Aweke und Oumou Sangaré in einer Stimme, das hat´s noch nicht gegeben. Die Äthiopierin ist keineswegs in allen Liedern als solche zu identifizieren, mal wähnt man sich in Mali, mal in Indien. Schnell könnte man darauf verfallen, dies Bill Laswell zuzuschreiben, der das Album produziert hat. Doch Gigi hat alle Songs selbst geschrieben, und ohrenkundig hat sie reichlich Ahnung von dem, was sie macht. Trotzdem grünes Licht für Laswell: Endlich hat er mal wieder eine Produktion abgeliefert, die in positivem Sinne bemerkenswert ist - denn Schrott hat er in der jüngeren Vergangenheit zur Genüge gebastelt. Herbie Hancock, Wayne Shorter und Pharaoh Saunders stehen auf der Gästeliste des Albums, und das ist nicht nur höchst angenehm anzuhören, sondern gewiss auch Laswells Auswahl. Man kennt sich. Das Album serviert eine erstaunliche Vielfalt, ist mal poppig, mal funkig, dennoch immer afrikanisch in seinen Grundmustern, ist hervorragend produziert, und tanzbar ist es obendrein. Dass es sich auch noch zum aufmerksamen Zuhören eignet, schlägt dem Zahn die Krone aus. Wer eine langfristige Kapitalanlage mit höchster Rendite sucht, ist hier goldrichtig.
Luigi Lauer
Schokoguss & Vanilleeis
(Hotcon Records HOT 0147)
17 Tracks; 78:13; mit Texten und Infos
Eigentlich singt der an der Sieg lebende Ruhrpott-Barde ja lieber auf englisch. Dabei sind es gerade seine deutschen Texte, die Maturas Genialität in meinen Augen ausmachen. Wie zum Beweis hat der Liedermacher mit "Schokoguss & Vanilleeis" ein weiteres Prunkstück vorgelegt. War seine Doppel-CD "Industriestadt - tot" noch sehr geprägt von Maturas Wut und Melancholie angesichts der sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen im Ruhrgebiet, so klingt seine neue CD persönlicher. Die vierzehn Lieder - dazu gibt es drei Bonus-Tracks - sind eine Zeitreise, bei der man Rudi Schuricke und John Sinclair ebenso begegnet wie Leni Riefenstahl und Stan Libuda. Und wenn Roger Matura in "Wintermond" fragt "in welchem Film ich hier eigentlich bin", dann ist es wohl eher eine rhetorische Frage. Gibt er sich doch selber die Antwort in "Ich glaub´ an dich", wenn er dort singt "hey, lass´ dich nich verbiegen, verhärten, unterkriegen / verlier´ dich nich´ / und wenn´ne noch so tief im schlamassel steck´s / et gibt immer´n weg ´raus". Wahrscheinlich kommt da die positive Grundeinstellung des Sozialarbeiters zum Tragen. Und dann sind da die Songs, die in lockerer Aneinanderreihung von Namen und Ereignissen spielerisch jüngste Kulturgeschichte zusammenfassen ("Den Blick von Marlene"). Roger Matura weiß, wie man mit Sprache umgeht, ohne verkrampft kunstvoll zu klingen. Und Musik kann er auch machen. Folkrock dürfte seinen Stil am besten beschreiben. Setzte auf "Live in Thessaloniki" Thomas Kagermanns Geigenspiel musikalische Akzente, so ist es auf "Schokoguss & Vanilleeis" das Akkordeon, gespielt von Armin Dahm und "Gast" Gregor Bockholt. Dazu gehört auch das Instrumental "Polski Shuffle / Do Widzienia Masury", das nach mehrmaligem Hören geradezu süchtig machen kann. Aber über allem liegt Roger Maturas Gesang, der mit seinem heiseren Grundton geradezu perfekt zur Präsentation von Maturas Momentaufnahmen und Rückblicken ist. "Schokoguss & Vanilleeis" ist übrigens der zweite Teil eines auf vier CDs angelegten "Zeitreise-Zyklus", der bis Ende 2003 abgeschlossen sein soll. Auch Teil 1 liegt bereits vor. Titel "Captain Moonlight & Little Miss Bronte". Und für 2003 kündigt Roger Matura auch ein Buch an. "Und am 7. Tag schuf Gott den Blues ... ( oder die Geschichte von Captain Moonlight & Little Miss Bronte)". Einen Vorgeschmack darauf dürften die zwischen die Lyrics auf "Schokoguss & Vanilleeis" eingestreuten Texte bieten.
Michael Kleff
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