backDie besondere CD

Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder vier CDs, die aus der Masse herausragen:

Nordamerika ANI DIFRANCO --> Revelling/Reckoning
Cornwall JAKE WALTON --> Emain
Asien/Afrika TRILOK GURTU --> The Beat of Love
Nordamerika DIVERSE --> Concerts For A Landmine Free World


Die Besondere – Nordamerika

ANI DIFRANCO

ANI DIFRANCO - Revelling/ReckoningRevelling/Reckoning

(Righteous Babe/Indigo 2CD 9872-2)
CD 1: 13 Tracks,59:07; mit Texten
CD 2: 16 Tracks,59:31; mit Texten

„Üben, üben, üben!“ Ani DiFranco konnte sich einen Verweis auf den klassischen Carnegie Hall-Scherz bei ihrem Auftritt in der ehrwürdigen New Yorker Konzerthalle Anfang April nicht verkneifen (Frage: „Wie komme ich zur Carnegie Hall?“ Antwort: „Üben, üben, und nochmals üben!“). Mit sorgenvollen Minen blickten derweil die Ordner drein angesichts der Stimmung, deren Lautstärkepegel an die Begeisterung beim Auftritt der Beatles in der Carnegie Hall Anfang der sechziger Jahre erinnerte. Ani DiFranco ist eine Ausnahmepersönlichkeit im Musikgeschäft unserer Zeit. Mit jeder neuen CD überrascht die aus Buffalo im Norden von New York State kommende Künstlerin mit etwas Neuem. Dabei bleibt sie sich jedoch in einer Hinsicht treu: engagiert und kompromisslos testet sie die Grenzen und Möglichkeiten ihrer Kunst aus. Inhaltlich sind es auf „Revelling“ und „Reckoning“ erneut die persönlichen und politischen Bilder, die den Gesamteindruck der 29 Tracks prägen. Das Wort „anbiedern“ kennt die Amerikanerin nicht. Obwohl die Mehrheit ihres jungen und vor allem weiblichen Publikums Internet-Freaks sein dürften – darauf deuteten oberflächlich die während des Konzerts zu Dutzenden im Einsatz befindlichen Handys hin – lautet ihre Antwort auf die Frage, ob sie viel Zeit im Internet verbringt: „Nicht eine Minute“. In „Your Next Bold Move“ findet Ani DiFranco harte Worte für die Praktiken der multinationalen Konzerne. Im Unterschied zu den meisten ihrer Songwriterkollegen hat sie jedoch auch praktische Konsequenzen aus dieser Einstellung gezogen und sich bis heute den Angeboten von Major-Labels („Wir machen dich zum Star.“) mit ihrem mittlerweile 16 Leute beschäftigenden Indie Righteous Babe Records mit Erfolg entzogen. Auf jeder CD ihres Doppelalbums spielt Ani DiFranco eine Hälfte der Songs solo, während sie bei der anderen Hälfte von ihrer Liveband begleitet wird: Julie Wolf (Keyboards), Jason Mercer (Bass), Daren Hahn (Schlagzeug), Hans Teuber (Saxophon) und Shane Endsley. Für einen Schuss Funk sorgen als Gäste u.a. der Saxophonist Maceo Parker und der Trompeter John Hassel. Während auf „Revelling“ fast alle Aspekte der komplexen (musikalischen) Persönlichkeit Ani DiFrancos zum Ausdruck kommen – von Sologitarre über Bandaufnahmen bis zu Formen von Beat-Poetry – sind die Stücke auf „Reckoning“ mehr songorientiert. Hier präsentiert Ani Difranco Nachdenkliches über sich selbst und die Gesellschaft. Ein musikalisches und inhaltliches Meisterwerk.

Michael Kleff


Die Besondere – Cornwall

JAKE WALTON

JAKE WALTON - EmainEmain

(Wundertüte Musik TÜT 72.180)
46:08, 12Track; mit Texten

King Bran und die Feen mit dem Apfelzweig entführen uns auf eine poetische Reise in das sagenhafte Emain, der Irischen Mythologie nach das Land der Heilung. Musikalischer Reiseleiter ist der walisische Sänger, Gitarrist und Drehleierspieler Jake Walton, der sich nach nahezu zehnjähriger Plattenabstinenz mit einer vortrefflichen CD zurückmeldet.

Die Texte der Reisebeschreibung stammen von dem irischen Literaturnobelpreisträger William Butler Yeats, dessen Gedicht „Into The Twilight“ Walton hier ähnlich kongenial vertont wie es seinerzeit Donovan (eines von Waltons musikalischen Vorbildern) mit „Song Of The Wandering Aengus“ gelang. Walton führt uns mit dem „West Wind“ (nach einem Gedicht von John Masefiled) über „The Plain of Silver“, den keltischen Ort der Verzauberung und Inspiration, von dem aus man zur Dämmerung jenseits des Schleiers („Beyond The Veil“) in das unbekannte Land der Heilung geführt wird.

Magische und verzaubernde Momente lässt uns Jake Walton in seiner musikalischen Umsetzung der Pilgerfahrt erleben, mit Melodien von betörender Schönheit. Der bretonische Gitarrist und Mandolaspieler Eric Liorzou ist einer unserer Reisegefährten und trägt mit Kompositionen und exzellentem Saitenspiel wesentlich zum Klangerlebnis bei. Besonders schön kommt sein Mandolaspiel im Duett mit Waltons Drehleier zur Geltung bei den Stücken „Seven Gurdies“ und „Ceth´s Return“ (beide aus Liorzous Feder) und bei dem dritten Instrumental der Platte „The Roads to Rock“, das von Norman Haskell beigesteuert wurde, der mit seiner Cittern für eine weitere Klangfarbe sorgt. Dass Jake Waltons zu den großen Drehleierspielern zählt, zeigen die Instrumentalstücke. Einerseits versteht er es wie kaum ein zweiter, die Leier mit geradezu delikatem, dezenten Klang zur Gesangsbegleitung einzusetzen, andererseits stellt er mit den Instrumentalstücken unter Beweis, dass er auch mit der Schnarre effektiv umzugehen versteht.

Weitere Weggefährten auf unserer Reise ins Innere sind Erwas Volant (Bassgitarre) Mike O'Connor (Fiddle) und Jez Lowe (Gesang), mit dem Jake Walton vor nahezu 10 Jahren die vielgepriesene LP „Two à Roue“ einspielte (Gerüchten zufolge soll die überfällige CD-Wiederveröffentlichung in Planung sein).

Am Ende der Reise angekommen, mag man sich nur widerwillig ins Land Reality zurückbegeben. Ich habe schon vielfach erneut auf den Schwingen des Westwinds meinen Weg ins Sommerland zu den Apfelblüten gesucht und dabei stets neue Landschaften, Bilder und Klänge entdeckt.

Ein grandioses Album

Ulrich Joosten


Die Besondere – Asien/Afrika

TRILOK GURTU

TRILOK GURTU - The Beat of LoveThe Beat of Love

(Universal 549745-2)
11 Tracks, 50:17

Dass Gurtu ein begnadeter Perkussionist ist, wird niemand in Frage stellen. Seine Arrangements und Kompositionen aber, seit dem Vorgänger-Album „African Fantasies“ eine Melange aus Pop und Rock mit ethnischen Hintergründen, latschen schon mal auf die Schwelle zum Banalen, allzu Gefälligen. Solche schwachen Momente sind aber selten, meist stimmen Groove und Atmosphäre, und das musikalische Können all seiner Bandmitglieder oder Gäste ist von höchstem Niveau. Gurtu ist schlau genug, allzu süßliche Elemente nur in therapeutischen Dosen zu verabreichen, immer wieder kriegt er die Kurve. In erster Linie ist das Album ein Brückenschlag zwischen Indien und Afrika, mit Sängerinnen und Sängern von beiden Ufern, Roop Kumar, Myrudula und Bharati Desai oder Nandini Sirkar von dem einen, Salif Keita, Wasis Diop, Sabine Kabongo, Jabu Khanyile oder Angelique Kidjo vom anderen. Die beiden Ausnahme-Bassisten Hilaire Penda und Nicolas Fiszman untermauern das Ganze mal nach afrikanischer Spielart, mal funky, während die Rhythmik überwiegend indischen Mustern folgt. Mit kleinen Einschränkungen ist The Beat of Love ein tolles, intelligent gemachtes und sehr abwechslungsreiches Tanzmusikalbum. Morgens in kleinen Dosen eingenommen, macht es den ganzen Tag Vorfreude auf den Abend. Und dann: gib ihm!

Luigi Lauer


Die Besondere – Nordamerika

DIVERSE

DIVERSE - Concerts For A Landmine Free WorldConcerts For A Landmine Free World

(Vanguard/Zyx VCD 79579-2)
11 Tracks,54:53; mit Infos

Im April dieses Jahres war Ex-Beatle Paul McCartney bei US-Außenminister Colin Powell, um für ein weltweites Verbot von Landminen zu werben. So lobenswert das Unterfangen war, so fragt man sich doch, was sich der britische Popstar von dem Besuch bei dem früheren General versprochen hat. Sind es doch gerade die USA, die sich mit allen Kräften gegen ein Verbot von Landminen wehren. Getreu dem Motto von Präsident Bush, dass nichts läuft, was sich negativ für die Profitmaximierung der Industrie auswirken könnte, dessen willfährige Marionette er ist. Vor diesem Hintergrund muss letztendlich auch der vorliegende Sampler „Concerts For A Landmine Free World“ gesehen werden (siehe auch Editorial). Unter Führung der in diesem Bereich schon seit Jahren aktiven, frisch-gebackenen Grammy-Award-Gewinnerin Emmylou Harris haben KünstlerInnen wie Bruce Cockburn, Kris Kristofferson, Nanci Griffith und Steve Earle bislang unveröffentlichte Live-Aufnahmen (ohne Garantie, das Booklet schweigt sich in dieser Frage aus) „kostenlos“ zur Verfügung gestellt, um die weltweite Kampagne für das Verbot von Landminen zu unterstützen. Auch Vanguard Records stellt laut Booklet einen „Teil“ (mich würde interessieren, wie der aussieht) der Verkaufseinnahmen zur Verfügung. Soweit zu den Rahmenbedingungen dieser CD. Nun hätte man erwarten können, dass das Booklet bei einem solchen engagierten Projekt die Texte der Songbeiträge enthält und Hintergrundinformationen zum Thema „Landminen“ enthält. Doch da ist in diesem Fall Fehlanzeige angesagt. Kein einziger Text und nur ein Minimum an Fakten. Einen Hinweis darauf, das sich die Vereinigten Staaten bei der Produktion von Antipersonen-Minen in der „guten Gesellschaft“ von Ländern befinden, die sie ansonsten als „Teufel“ ansehen wie u.a. China, Irak und Kuba, sucht man vergeblich. Bruce Cockburn ist der einzige Musiker, der in der Ansage seines Beitrags („The Mines Of Mozambique“) wenigstens kurz auf die allgemeine Problematik eingeht. Damit sind wir dann bei der Musik, bei der es sich ausschließlich um akustische Solo-Nummern handelt. Und wenn jetzt jemand fragen sollte, was denn nun das „Besondere“ an dieser CD sei, dann lautet meine Antwort: genau das, was ich versucht habe auszuführen.

Michael Kleff


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