backDie besondere CD

Wie in jedem Folker gibt es auch diesmal wieder vier CDs, die aus der Masse herausragen:

Mundart KONRAD BEIKIRCHER --> Beikircher singt H.C. Artmann
Gälisch CLIAR --> Traditional & contemporary gaelic song & highland music
Afrika GEOFFREY ORYEMA --> Spirit
Cajun VARIOUS ARTISTS --> Allons en Louisiane


Die Besondere – Mundart

KONRAD BEIKIRCHER

Beikircher singt H.C. Artmann

(Conträr Musik 9036-2)
Do-CD, 25 Tracks, 92:10; mit ausführl. Booklet mit Dialekt-Originaltexten u.Glossar

Hier in der Schweiz, weit weg von Europa, wechselt der Dialekt fast an jeder Hausecke, hierzulande wird sogar die Hitparade in "Schwizerdütsch" erobert, unsere Mundartsängerinnen und Sänger haben Kultstatus, und die Mundartliteratur erlebt eine Renaissance nach der andern. Kurz und gut: Wir Schweizer sind mit allen Mundarten gewaschen, mich kann also in dieser Beziehung gar nichts erschüttern! Denkste! Da kommt ein gebürtiger Südtiroler und erobert meine Mundartseele mit einer Doppel-CD unter dem schlichten Titel "Beikircher singt H.C. Artmann".

Seit 1978 vertont Konrad Beikircher Gedichte aus Artmanns legendärem Gedichtband "med ana schwoazzn dintn". Dieses 1958 entstandene Buch hat die Mundart-Dichtung revolutioniert, nicht nur in Österreich. Bereits im Mai 1980 hat Beikircher (ein Interview mit ihm erscheint im nächsten Folker!) in der Bonner Jazz-Galerie eine LP mit Artmann Gedichten aufgenommen. "Contraer" hat nun diesen Live-Mitschnitt ausgegraben und ergänzt um eine zweite CD, die im Juni 1999 in Frankfurt im Studio entstand. 1980 trug Beikircher seine Lieder "nur" zur Gitarre oder zum Klavier vor, auf der neuen CD ist mit Akkordeon, Kontrabass, Gitarre, Mandoline, Bratsche und einem ungarischen Cymbalon ein Klangbild entstanden, dass sich Beikircher schon damals gewünscht hätte. Hätte sich aber dieser Wunsch erfüllt, dann wäre uns leider eine Vergleichsmöglichkeit der besonderen Art entgangen. Denn bei den Live-Aufnahmen 1980 fährt der Pegel manchmal in den roten Bereich, aber da knistert die Spannung nicht nur in den Lautsprecher-Boxen! Beikirchers Auftritt stand schon damals der sprachlichen Kraft von Artmanns Gedichten in nichts nach. Fazit: Da ist sie also wieder, eine dieser seltenen Produktionen, die rundum zu empfehlen ist! Hier die Gedichte des grossen österreichischen Poeten H.C. Artmann im Wiener Breitenseer Dialekt - und trotzdem weit ab von Wiener Gemütlichkeit - seine Sprachkraft, seine nicht minder starken Stimmungsbilder, sein schwarzer Humor, seine zauberhaften und ungewöhnlichen Liebesgedichte..... und da Beikirchers Musik, seine Arrangements, seine Stimme...... Das ist, wie wenn zwei Vulkane gleichzeitig losbrechen würden. Und die Symbiose aus diesen zwei Vulkanen kommt daher in einer Verpackung, pardon, in einem kleinen Buch, das keine Wünsche offen lässt. Ausser vielleicht dem Wunsch nach einer Übersetzung der Gedichte. Das vorhandene Glossarium auf jeden Fall ist unverzichtbar.

Thomas Baer


Die Besondere – Gälisch

CLIARCLIAR

Traditional & contemporary gaelic song & highland music

(Macmeanmna SKYECD 14)
13 Tracks, 54:36; mit gäl./engl. Texten u. Infos

Dass gälische Lieder in Schottland meist sehr meisterlich vorgetragen werden, hat u.a. auch was mit dem National Mod zu tun, dem jährlichen Wettstreit in Sachen gälischer Lieder und Musik. Wenn die Gruppe Cliar auf ihrer ersten CD mit Maggie Macdonald, Mary Ann Kennedy und Arthur Cormack drei der besten mod-gestählte Stimmen in ihren Reihen hat, dann ist klar, dass gesanglich nichts schief klingen kann. Doch gälischer Gesang ist in der Regel a-capella (oder zumindest auf CD spärlich z.B. mit Harfe begleitet). Daher erstaunt die andere Hälfte der Formation, die Cliar in die seltene Kategorie „gälische Bands“ bringt: Ingrid Henderson (Harfe, Piano), die mit Bruder Allan hierzulande bereits im Rahmen des Scottish Folk Festivals unterwegs war, Bruce MacGregor, ein energiegeladener Fiddler, der u.a. mit dem Projekt „Blazin' Fiddles“ für Aufsehen gesorgt hat sowie Chaz Stewart, ein erfahrener und entspannter Bassist (akustisch + elektrisch). Diese Kombination lässt im wahrsten Sinner des Wortes aufhorchen. Unvergleichlicher gälischer Gesang und packende Highland tunes (der Untertitel weist den Weg), das gibt es so häufig nicht. Mundmusik, Balladen, knackige Instrumentals und bis zum Höhepunkt muss man, wie sich's gehört, bis zum Ende warten: „'S truagh nach d'rugadh dall mi“ mit Zeilen wie „Es ist einfacher für mich zu sterben als ohne dich zu leben“, aaahh, diese hoffnungslos melancholische und harmonische Romantik des William Ross von der Isle of Skye, quasi mit eingebauter Tragödie, wenn man sowas mag, dann ist diese CD selbst den momentan horrenden Wechselkurs ganz locker wert.

Mike Kamp


Die Besondere – Afrika

GEOFFREY ORYEMAGEOFFREY ORYEMA

Spirit

(Sonodisc CDS 8840)
10 Tracks, 48:46; Texte/Infos in engl./franz.

Wer Popmusik mit deutlich afrikanischem Einschlag nicht mag: bitte weiterblättern. Alle anderen sollten bald einkaufen gehen. Oryema hat mit „Spirit“ sein schönstes, auch sein poppigstes Album abgeliefert. Die düstere Melancholie, bisher charakteristisch für ihn, ist verflogen, der Mann klingt, als habe er endlich die Freude am Leben entdeckt. Gut, seine Stimme, besonders die Kopfstimme, hat ein bisweilen wehleidiges Timbre. Aber das Gewand, in das sie diesmal gekleidet ist, strahlt bunt wie ein westafrikanischer Sonntags-Boubou. Schon bemerkenswert, dass ausgerechnet das Album, mit dem er sich an seinen verstorbenen Vater sowie seinen ebenfalls toten Bruder John erinnert (ein Hammer: Track 5, Omera John), von so positiver Grundstimmung durchwirkt ist. Ein Musikpsychologe würde vermutlich diagnostizieren, dass der Mann die Traumata seiner Jugend verarbeitet hat (sein Vater wurde unter Idi Amin ermordet, er selbst musste im Kofferraum eines Autos flüchten). Oryema, die Hälfte seines Lebens im französischen Exil, hat die Musikkultur seiner Heimat Uganda sowie die seines neuen Domizils eindrucksvoll verwoben, mit einem Überhangsmandat zugunsten westlicher Musik. Produziert hat das Ganze Rupert Hine, der irgendwie überall die Finger drin hat; hier auch als Programmierer und Keyboarder. Und Nicolas Fiszman spielt mit, der begnadete Bassist, Akustik-Gitarrist, Keyboarder, Komponist und Produzent, gerade noch mit Trilok Gurtu auf Tournee, ein Mann, der zu Recht zu den Meistbeschäftigten in der Weltmusikszene gehört. „Spirit“ kann man ebenso gut betanzen wie belauschen, es ist eines der seltenen Alben, die alle Sinne ansprechen. Hervorragend! Und zu kurz!

Luigi Lauer


Die Besondere – Cajun

VARIOUS ARTISTSVARIOUS ARTISTS

Allons en Louisiane

(Rounder/inakustik CD 11661-6092-2)
2 CDs, 15 Tracks, 61:02

Louisiana Music im Multimediazeitalter: Rounder Records, sattelfester Garant für fundierte US-Folk-Produktionen, präsentiert die Doppel-CD „Allons en Louisiane“. Das aufwendig gestaltete Paket ist aber keine „Doppelte“ im klassischen Sinn, denn ein Silberling ist voll mit Tönen und der andere voller Bilder - ganz multimedia eben. Et voilà, das Konzept geht wunderbar auf: Während ich per CD-Rom eine virtuelle Reise durch Cajun-Country antrete, spielen so illustre Namen wie Michael Doucet, Steve Riley oder Bois Sec Ardoin auf der Stereoanlage den Soundtrack dazu. Schon der erste Song ist ein Schätzchen: eine Zusammenarbeit zwischen Zydeco-Oldtimer Geno Delafose und Christine Balfa, Tochter der Cajun Ikone Dewey Balfa. Ihre Version von „'Tit Monde“, einer Komposition des Creole-Fiddlers Canray Fontenot, ist so richtig schön ausgeschlafen. Schwungvoll nimmt Steve Riley den Ball auf. Fett groovt sein Two Step mit Steve's leichtfüssigem Akkordeon und David Greely's Fiddle-Riffs. Die 15 Songs ergänzen sich exzellent und sind eine originelle Auswahl der zurzeit in Louisiana angesagten Cajun- und Zydecoacts. Aber zurück zum Computer: Die CD-Rom malt ein raffiniert gestaltetes Bild der Lebensart der Cajuns, etwa mit einem Tanzworkshop oder einem kulinarischer Reiseführer, mit Cajun-Cooking oder kurzweiligen Statements bekannter Musiker. Prädikat: äusserst gelungen.

Johannes Epremian


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